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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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unbedingte Ergebenheit. Aber ich muss wissen, wie sie ausgesehen und dagelegen hat, als ihr sie gefunden habt.«
    »Ich zeige es dir«, bot Charmian an und legte sich mit gekrümmtem Leib und willkürlich von sich gestreckten Gliedmaßen auf den Boden. Eine solche Körperhaltung ließ darauf schließen, dass der Tod während eines Kampfes eingetreten war. »So in etwa hat sie gelegen«, erklärte sie, während sie aufstand und sich den Schmutz abklopfte.
    »Marcus«, wandte ich mich an meinen jungen Verwandten, »halt deine Fackel ein wenig tiefer, und beleuchte den Kopf der Toten! Aber pass auf, dass du ihr nicht die Haare ansengst!« Ich kniete mich neben die Leiche und untersuchte den Hals. Die Schnürspuren waren zwar nicht so tief und deutlich, wie ich sie schon des Öfteren zu sehen bekommen hatte, aber es gab für mich keinen Zweifel: Die Priestertochter war erdrosselt worden.
    Opfer einer Strangulierung haben oft geschwollene, rote Augen, was bei Gorgo nicht der Fall war, aber ihre Lippen waren blau angelaufen.
    »Habt ihr nur ihren Körper in eine sittsame Pose gebracht, oder habt ihr auch an ihrem Gesicht herumhantiert?«, fragte ich die Sklavinnen.
    »Wir haben ihr die Augen und den Mund geschlossen«, gestand Leto so leise, dass ich sie kaum hören konnte. »Es sah so furchtbar aus!«
    Plötzlich vernahm ich irgendwo in der Nähe das Plätschern von Wasser. Ich richtete mich auf und folgte dem Geräusch.
    Nach etwa zwanzig Schritten stand ich vor einer Quelle.
    Frisches Wasser sprudelte aus einer schroffen Felsnase. Um die Quelle herum hatte man das Gestein ausgehöhlt und mit Marmor ausgelegt, so-dass ein schönes Becken entstanden war, über dem zum Schütze der Badenden zwei Hermen wachten. Von der Wasseroberfläche stieg leichter Dampf auf, der mit einem Hauch von Schwefel durchsetzt war. Ich bückte mich und tauchte eine Hand ins Wasser. Es war warm. Also musste es sich um einen Ableger der berühmten heißen Quellen von Baiae handeln, die den Ort so beliebt gemacht hatten. Neben dem Becken lag ein kleiner weißer Stoffhaufen: das sorgfältig Zusammengelegte Gewand einer Frau.
    »Hat Gorgo hier ihre Bäder genommen?«, fragte ich.
    »Ja«, erwiderte Leto.
    »Habt ihr die Kleidung berührt?«
    »Nein, Praetor. Das heißt doch. Der Umhang lag neben dem Gewand. Wir haben sie damit zugedeckt?«
    »War er ebenfalls zusammengelegt?«
    »Ja, Herr.«
    Meine Fragen schienen die örtlichen Würdenträger und sogar einige Männer meines Gefolges zu verblüffen. Erstere hätten es wahrscheinlich lieber gesehen, wenn wir sämtliche Sklaven in den Kerker geworfen und sie dort unter Folter verhört hätten.
    Doch ich bevorzugte andere Methoden.

    In diesem Augenblick fiel mir auf den Marmorplatten am Rande des Beckens eine offene Schachtel aus Zedernholz ins Auge. In der Schachtel befanden sich ein bronzener Schaber, ein Schwamm und ein kleines Fläschchen. Ich bückte mich nach dem Fläschchen und öffnete den Ver-schluss. Es roch nach parfümiertem Badeöl. Ich wollte das Fläschchen gerade wieder zustöpseln, als mich ein qualvolles Wehklagen zusammenfahren ließ, das aus der Richtung des Olivenhains kam.
    »O je«, stöhnte Hermes, »klingt so, als sei ihr Vater zurück.«
    »Gorgo!«, schrie der Mann verzweifelt. »Wo ist meine Tochter?« Dann begann er jammervoll zu schluchzen.
    »Gehen wir zurück und reden wir mit ihm«, sagte ich und richtete mich auf.
    Der alte Priester stand neben seiner toten Tochter und weinte.
    »Mein aufrichtiges Beileid, Diocles. Wir haben gerade mit den Ermittlungen begonnen, und ich bin sicher, dass wir schon bald. Der Priester wollte nichts dergleichen hören.« Er sah auf, und mit einem Schlag schien sich sein ganzer Gram und Kummer in Wut zu verwandeln. »Ermittlungen? Wofür, im Namen sämtlicher Götter, brauchen wir Ermittlungen?«
    »Diocles, ich …«
    Er unterbrach mich ein weiteres Mal und deutete mit zitterndem Zeigefinger auf Gaeto. »Wir alle wissen doch, was passiert ist! Der Sohn des Sklavenhändlers drängt sich schon seit Monaten meiner Tochter auf. Gestern Abend hat er es wieder versucht. Doch sie hat sich gegen seine Annäherungen zur Wehr gesetzt und musste dafür mit ihrem Leben bezahlen! Für dieses Verbrechen will ich ihn am Kreuze sehen!«
    »Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen, Diocles«, versuchte Ma-nius Silva den Priester zu beruhigen. »Der Praetor muss seinen Pflichten nachkommen, und wir wollen ihn dabei nach Kräften unterstützen.

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