Mord am Vesuv
von Baiae weitergeritten, zum Stadthaus der Familie. Als wir dort ankamen, lag er offenbar noch im Bett.
Jedenfalls machte er einen ziemlich verschlafenen Eindruck.«
»Wie war die Stimmung in der Stadt?«
»Als wir ankamen - das war etwa zwei Stunden nach Tagesanbruch -machte die Nachricht von dem Mord erst die Runde. Auf dem Forum waren nur ein paar Müßiggänger und Amateurredner, und jemand versuchte sie aufzuhetzen. Sie sollten Gaetos Haus niederbrennen und den Jungen lynchen.
Aber um einen ernst zu nehmenden Aufruhr anzuzetteln, war es noch viel zu früh.«
»Stimmt. Der Mob lässt sich am besten nachmittags und abends zum Aufruhr anstacheln.« Damit hatte ich schon reichlich Erfahrung gemacht.
»Die Griechen waren natürlich sehr aufgebracht, wohingegen die Römer und die Angehörigen anderer Volksgruppen bei weitem nicht so empört wirkten. Wäre ein Priester des Jupiter betroffen, sähe es natürlich anders aus.«
»Den Göttern sei Dank! Das Beste an einer Kleinstadt wie Baiae ist, dass es hier nicht so viele Müßiggänger gibt, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben als Ärger zu machen.
Und zum Glück gibt es hier auch kaum Armut oder Unzufriedenheit. Vielleicht geht die Geschichte ja doch noch einigermaßen glimpflich aus. Jetzt gehen wir erst mal rein und reden mit Gelon. Danach habe ich ein paar Aufgaben für dich.«
»Soll ich für dich schnüffeln?«, fragte er grinsend.
»Freu dich nicht zu früh! Wenn der Junge sich schuldig bekennt, können wir uns die Ermittlungen sparen. Was ist denn deine Meinung über den jungen Numider? Wie hat er reagiert, als du ihm eröffnet hast, dass er wegen Mordes an Gorgo festgenommen wird?«
»Zuerst war er etwas benommen, als ob er noch gar nicht richtig wach wäre. Dann plötzlich reagierte er wie ein Stier, der zwischen den Augen vom Hammer des flamen getroffen wird.
Die Nachricht vom Tod des Mädchens hat ihn offenbar so geschockt, dass er sich widerstandslos von den Liktoren abführen ließ. Zumindest hat er diesen Eindruck vermittelt.
Vielleicht hat er uns aber auch nur etwas vorgemacht.« Er überlegte kurz und zuckte mit den Schultern. »Wenn er Römer wäre, könnte ich ihn besser einschätzen. Bei Ausländern ist das nicht so einfach.«
Ich wusste, was er meinte. Menschen verschiedener Länder drücken ein und dieselbe Sache auf unterschiedliche Weise aus.
Gallier zum Beispiel ziehen geradezu freudig in die Schlacht, und bei Bestattungen pflegen sie statt zu trauern ausgelassen zu feiern. Ägypter schütteln den Kopf, um ihre Zustimmung auszudrücken, und nicken, wenn sie nein sagen wollen. Die Perser sind ernst und feierlich, wenn sie sich lieben, und die Griechen weinen, wenn sie einen Feind getötet haben. Wie sollten wir da wissen, ob der Kummer oder die Wut eines Numiders echt waren oder nur vorgetäuscht?
Wir gingen zurück ins Haus. »Nun zu dir, Gelon«, begann ich. »Dass du in der Klemme sitzt, brauche ich dir wohl nicht zu sagen.«
Wieder sprang er sofort auf, als er mich sah, und diesmal ließ Hermes ihn gewähren. »Praetor! Du kannst doch nicht im Ernst glauben, dass ich eine Frau töten würde, die ich liebe!«
»Vorstellen kann ich mir das sehr wohl, aber natürlich gilt auch für dich: im Zweifel für den Angeklagten. Allerdings sind dir längst nicht alle so wohlgesonnen wie ich, im Gegenteil - sehr viele Leute sind von deiner Schuld überzeugt. Wenn du also unschuldig bist, solltest du tunlichst alles daransetzen, es auch zu beweisen. Ich verspreche dir ein gerechtes und objektives Verfahren - ein römisches Verfahren. Dein Vater ist schon dabei, den besten Anwalt der Region ausfindig zu machen. Zum Glück kann er bei seiner Suche auf eine hervorragende Auswahl zurückgreifen.«
»Welcher angesehene Anwalt wird schon den Sohn eines Sklavenhändlers verteidigen wollen?«, fragte er bitter.
»Das hängt davon ab, was dein Vater zu bieten hat. Allerdings habe ich, ehrlich gesagt, nicht gerade den Eindruck, dass er am Hungertuch nagt. Also mach dir um deine Verteidigung keine Sorgen! Allerdings würde es sicher nicht schaden, wenn du gleichzeitig Beweismittel beibringen könntest, die dich entlasten.« Nach unseren Gesetzen war es römischen Anwälten verboten, für ihre Arbeit ein Honorar zu akzeptieren. Geschenke hingegen durften sie ohne weiteres annehmen. Hortalus hatte es während seiner langen und erfolgreichen Anwaltskarriere zu etlichen prachtvollen Landhäusern und anderen nicht weniger kostspieligen
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