Mord an der Leine
Das wollten Sie uns verkaufen. Das war
Ihnen auch gelungen. Ich bin erst darüber gestolpert, als ich mir noch einmal
klarmachte, in welcher Folge der Schusswechsel stattfand. Wie ich es vorhin
erläutert habe.«
»Bum-bum«, murmelte Putensenf selbstvergessen und
wurde von Madsack mit einem tadelnden »Aber Jakob« zurechtgewiesen.
»Sie haben die ganze Zeit die Ermittlungen boykottiert
und vordergründig alles auf einen Zweikampf zwischen Ihnen und mir geschoben,
so getan, als würden die Hahnenkämpfe um die Karriere zwischen uns beiden zu
den Komplikationen führen. Wenn Sie mit Schrecken feststellten, dass ich ein
kleines Stück des Puzzles entdeckt hatte, versuchten Sie es mit der ›Das ist
unprofessionell‹-Masche.«
»Ich glaube Frau Dobermann, das klingt alles sehr
schlüssig«, sagte der Kriminaloberrat. »Herr Richter. Ich verhafte Sie hiermit
wegen des Verdachts, den Polizeibeamten Lars von Wedell aus niederen
Beweggründen getötet zu haben.«
Richter sackte in seinem Stuhl zusammen. Er stützte
die Ellenbogen auf die Tischplatte und ließ sein Gesicht darin verschwinden. Er
schwieg.
»Sie hatten gute Gründe, mich in jeder Weise in der
Ermittlungsarbeit zu behindern und mir die Akten aus Oldenburg vorzuenthalten.
Das galt auch für die Geschäftsunterlagen Manfredis, die Sie zunächst unter dem
Vorwand, sie müssten übersetzt werden, zurückgehalten hatten.«
Frauke lehnte sich erschöpft zurück. »Heute mache ich
mir große Vorwürfe, weil ich Lars von Wedell empfohlen hatte, sich Ihnen anzuvertrauen,
als der anonyme Anruf kam, der ihn zur Messe bestellte. In der Vorbesprechung
zu diesem Einsatz hatte Madsack vorgeschlagen, mehr Beamte einzusetzen oder das SEK zu alarmieren. Das haben Sie,
Richter, kategorisch abgelehnt. Auch das hatte ich damals unterstützt, weil ich
Ihren hinterhältigen Argumenten folgen konnte. Wer ahnt schon, dass ein junger
Beamter vor den Augen der Polizeikollegen so kaltblütig ermordet werden sollte.
Ich habe schon vielen verzweifelten, brutalen und hinterhältigen Mördern
gegenübergestanden, aber so etwas ist mir noch nicht begegnet.«
Putensenf war aufgestanden und hatte den Raum
verlassen. Kurz darauf kam er mit zwei uniformierten Beamten zurück. Er zeigte
auf den immer noch zusammengesunken hockenden Richter.
»Abführen!«
»Bitte?«, fragte der größere der beiden Beamten
ungläubig.
Erst als Ehlers nickte, brummte er: »Meinetwegen«, und
packte Richter am Oberarm.
Der ehemalige Ermittlungsgruppenleiter ließ sich
widerstandslos aus dem Raum bringen.
»Für uns ergibt sich jetzt eine völlig neue
Situation«, sagte der Kriminaloberrat. »Frau Dobermann wird ab sofort die
Leitung der Gruppe übernehmen.«
»Ach du Elend«, sagte Putensenf.
»Hatten Sie etwas anzumerken?«, fragte ihn Ehlers.
Doch Putensenf winkte nur ab.
Madsack erhob sich schwankend. Er wirkte immer noch
angeschlagen. Mit beiden Händen ergriff er Fraukes rechte Hand und schüttelte
sie heftig.
»Danke«, sagte er. »Danke. Danke.« Er atmete tief
durch. »Da ist mir der Schreck aber heftig in die Glieder gefahren.«
Stumm traten die Beamten auf den Flur hinaus. Während
Ehlers und Madsack vorangingen, zupfte Putensenf Frauke am Ärmel.
»Da ist noch was«, sagte er leise und hielt sie ein
wenig zurück. »Eigentlich wollten meine Frau, Richter und ich heute Abend etwas
zusammen unternehmen. Das fällt nun ins Wasser. Also – ja – ähm – hätten Sie
nicht Lust, mitzukommen? Wir würden uns freuen.«
Frauke wollte ablehnen, doch bevor sie etwas erwidern
konnte, sagte Putensenf eindringlich: »Ablehnen gilt nicht. Um neunzehn Uhr
›unterm Schwanz‹.«
Sie sah ihn ratlos an.
»Da trifft man sich in Hannover. Auf dem
Bahnhofsvorplatz steht ein Denkmal mit einem Reiter und einem Pferd. Also –
›unterm Schwanz‹.«
Dann folgte er mit raschen Schritten Ehlers und
Madsack.
Frauke vermochte nicht zu sagen, ob das lebhafte
Treiben dem spätsommerlich guten Wetter zu verdanken war. Zumindest trug es
dazu bei, dass viele Menschen den Bahnhofsvorplatz bevölkerten. Manche eilten
hastig über das Pflaster, andere schlenderten gemächlich und scheinbar ziellos
umher, wieder andere hatten sich zu kleinen Gruppen zusammengefunden und
hielten muntere Schwätzchen.
Frauke kam sich inmitten der vielen Menschen ein wenig
verloren vor, als sie »unterm Schwanz« auf Putensenf wartete. Sie war bereits
mehrfach um das Denkmal von Ernst August herumgeschlichen, dem König
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