Mord an der Leine
bitte«, bat Frauke. »Es gibt noch einen
Punkt: Lars von Wedell.«
Es schien, als würden alle Beamten die Luft anhalten.
Nur schwach drangen ein paar Geräusche von draußen herein.
»Von Wedell bekam den Anruf, der ihn abends auf das
Messegelände bestellte, in meiner Gegenwart. Es war Bassetti. Die beiden hatten
sich aber nur kurz in der Pizzeria getroffen. Es ist kaum anzunehmen, dass sie
dort Handynummern ausgetauscht haben. Also?« Frauke sah Putensenf an. Der
zuckte die Schultern.
»Keine Ahnung.«
»Bassetti hat von Wedells Handynummer von jemand
anderem erfahren. Und den Auftrag erhalten, ihn auf das Messegelände zu
bestellen. Der Italiener war nicht selbst dort.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, warf Richter ein.
»Wir hätten ihn gefunden.«
»Und wer ist vor mir geflüchtet? Tuchtenhagen?«
»Nein. Der hat vor dem Tor, wo ihn ebenfalls Bassetti
hinbestellt hatte, gewartet.« Frauke sah Madsack an. »Hat man eigentlich
Bassettis Telefongespräche zurückverfolgt?«
Madsack sah hilflos in die Runde. »Ich habe das nicht
angeordnet«, sagte er entschuldigend.
»Sie sind für die Koordination zuständig, Herr
Richter«, warf Frauke dem Ermittlungsgruppenleiter vor.
»Für solche Aufgaben ist Nathan zuständig.« Richter
zeigte auf den korpulenten Hauptkommissar.
»Du wirst mir das doch nicht anheften wollen?«,
empörte sich Madsack.
»Doch. Das ist eine Schlamperei.« Richter war zornig.
»Wir klären später, wer hier versagt hat«, entschied
Ehlers und zeigte auf Frauke. »Bitte.«
»Wir waren alle anwesend, als der Mord an Lars von Wedell
geschah. Es gibt kaum bessere Zeugen als vier erfahrene Kriminalbeamte, unter
deren Augen so etwas geschah. Nur Herr Ehlers gab vor, nicht am Tatort gewesen
zu sein.«
»Ich muss doch sehr bitten.« Der Kriminaloberrat ließ
seiner Empörung freien Lauf.
Frauke gebot ihm durch eine Handbewegung, nicht
weiterzusprechen. »Keiner hat ihn gesehen. Ich auch nicht. Und niemand ist auf
die Idee gekommen, ihn nach seinem Alibi zu fragen.«
»Das wird mir langsam zu dumm«, sagte Richter
sichtlich aufgebracht. »Sie wollen den Mord an Lars doch keinem von uns in die
Schuhe schieben.«
»Doch!«
Dieses eine Wort saß wie ein Peitschenknall. Entsetzen
breitete sich in den Gesichtern der Beamten aus.
»Ich glaube, Sie gehen jetzt entschieden zu weit. Wir
sollten das Gespräch an dieser Stelle abbrechen«, entschied Ehlers.
»Nein!«, sagte Frauke mit fester Stimme. »Ich bin noch
nicht fertig. Und bei einem Mord, zumal an einem Polizisten, mag ich keine
disziplinarischen Beschränkungen akzeptieren.«
Sie rückte den vor ihr liegenden Papierstapel zurecht.
»Noch einmal: Was ist auf dem Messegelände passiert?
Wir haben gewartet, bis von Wedell meldete, er glaubte, es würde sich jemand
nähern.«
»Was heißt › glaubte‹ ?«, warf Richter ein. »Ich
habe es auch gesehen.«
»Wer noch?«, fragte Frauke in die Runde. Nachdem
niemand antwortete, fuhr sie fort: »Entweder haben wir anderen drei es nicht
gesehen, oder es war einer von uns.«
»Ich bin empört«, schimpfte Putensenf. »Was soll
dieser Quarkikram? Sie spinnen doch.«
»Was geschah danach? Wir haben alle einen Schuss
gehört. Von Wedell rief, dass er glaubte, auf ihn würde geschossen.«
»Richtig«, sprach Madsack dazwischen.
»Danach habe ich von meinem Standort aus eine
Gestalt gesehen, die davonlief. Sie wurde von einer anderen Person verfolgt.«
»Das habe ich auch gesehen«, bestätigte Richter. »Von
Wedell hat den Unbekannten verfolgt.«
»Es war kein Unbekannter«, beharrte Frauke auf ihrer
Meinung.
»Er ist doch nicht hinter einem Kollegen hergelaufen«,
gab Ehlers zu bedenken.
Frauke lehnte sich zurück.
»Lars war unerfahren. Und überaus diensteifrig. Und
wir, die sogenannten alten Hasen, haben uns von einem Denkfehler leiten lassen.
Wir sind wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass von Wedell jemanden
verfolgt hat. Nein! Er war der Erste und wurde von einem anderen verfolgt. Das
war genau umgekehrt.«
»Warum sollte er unmotiviert losjagen?«, sagte
Putensenf und kratzte sich den Hinterkopf.
»Das kann keiner mehr beantworten. Wie gesagt – es war
der erste Einsatz unter realistischen Bedingungen.«
Zur Überraschung aller hob Richter den Zeigefinger und
meldete sich zu Wort: »Wenn wir annehmen, dass Sie eventuell recht haben, dann
war von Wedell der erste und ich der zweite Mann, den Sie gesehen haben.
Schließlich bin ich auch losgerannt, als der erste
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