Mord an der Leine
Mal
auf ihn geschossen, dann hatte er auch seine Flucht akribisch geplant.«
»Und er ist nicht auf den Beifahrersitz eingestiegen?
Es hätte ja sein können, dass seine Frau am Steuer mit laufendem Motor auf ihn
gewartet hat«, schaltete sich Madsack ein.
Frauke unterließ es, zu intervenieren. Irgendwie
hatten Richter und Madsack recht. Wenn man diese Theorie verfolgte, musste man
das Ehepaar Tuchtenhagen beim Namen nennen.
»Der Typ muss doch völlig bescheuert sein. Der führt
uns an der Nase herum, versteht es, immer wieder zu entkommen und seine Spur zu
verschleiern, aber nutzt sein eigenes Auto. Der kann sich doch ausrechnen, dass
man nach ihm fahndet«, sagte Putensenf.
Frauke nickte dem Kriminalhauptmeister aufmunternd zu.
»Ihre Bedenken sind richtig. Aber wenn jemand all das, was Sie aufgeführt
haben, auch bedenkt, ist er noch lange nicht in der Lage, ein fremdes Auto
aufzubrechen und für die Flucht zu stehlen. Nach allem, was wir über
Tuchtenhagen in Erfahrung bringen konnten, hat der Mann keine kriminelle
Praxis.«
»Was ist mit der Pizzeria? Die sollten wir zunächst
unter die Lupe nehmen«, wechselte Richter das Thema.
Madsack nahm den Notizzettel in die Hand, runzelte
kurz die Stirn und begann zu berichten. »Das Ehepaar Filippi betreibt die
Pizzeria seit mehr als fünfundzwanzig Jahren. Judith Filippi ist gebürtige
Deutsche, Giosino stammt aus Italien. Die beiden haben schon lange
Silberhochzeit gehabt und drei erwachsene Kinder. Gegen beide liegt nichts vor,
nicht einmal ein Verkehrsvergehen. Ich habe den langjährigen Bezirksbeamten des
zuständigen Reviers interviewt. Die Pizzeria ist im Stadtteil sehr beliebt, gut
besucht, fast ausschließlich von Deutschen. Wenn wir unserer Phantasie freien
Lauf lassen und glauben, das könnte ein Treffpunkt der Mafia sein …
Fehlanzeige. Die Inhaber gelten als freundlich, unauffällig und sind unter den
Geschäftsleuten des Viertels sehr engagiert. Dazu hat sicher auch beigetragen,
dass Giosino Filippi irgendwann einmal kleine Pizzabrötchen an die Schüler
einer benachbarten Grundschule kostenlos verteilt hat. Seitdem kommen
Generationen von Kindern nach Schulschluss in die Pizzeria und holen sich ihr
Leckerli ab.« Madsack räusperte sich. »Meine persönliche Einschätzung ist, dass
das Lokal keine Rolle spielt. Es ist wohl Zufall, dass Simone Bassetti dort
verkehrt. Schließlich wohnt er nur einen Steinwurf entfernt.«
»Ich möchte mir das Lokal trotzdem ansehen«, entschied
Richter und zeigte auf Putensenf. »Du kommst mit.« Er sah ärgerlich auf, als
Madsacks Handy ihn unterbrach.
Madsack lauschte kurz in den Hörer. »Ist gut, Frau
Westerwelle. Stellen Sie durch.« Dann gab er das Mobiltelefon an Frauke weiter.
»Für Sie.«
Einen kurzen Augenblick war es still in der Leitung.
Dann hörte sie eine erregt klingende Männerstimme. »Hier ist Tuchtenhagen.«
»Ja, Herr Tuchtenhagen«, sagte sie laut, damit alle im
Raum mitbekamen, mit wem sie sprach.
»Waren Sie das, die mich angerufen hat, als meine Frau
verschwunden war?«
»Richtig.«
»Hören Sie. Ich weiß, dass die Polizei mich sucht. Und
meine Frau. Lassen Sie das sofort sein. Es geht um Leben und Tod. Wenn nicht
noch mehr Menschen sterben sollen, stellen Sie sofort Ihre Ermittlungen ein.«
»Das ist nicht Ihr Ernst?«
»Doch. Tödlicher Ernst.«
»Sie ermorden zwei Menschen und verlangen, dass die
Polizei sich zurückzieht?«
»Ja. Begreifen Sie. Es geht wirklich um weitere
Menschenleben. Stoppen Sie sofort alle Ermittlungen.«
»Erst erschlagen Sie Marcello Manfredi, dann erschießen
Sie einen Polizeibeamten. Was glauben Sie, mit wem Sie sprechen?«
»Ich weiß, dass man mich gestern erkannt hat, als ich
an der Messe war. Aber … Verflixt. Sie wollen mich nur in ein langes Gespräch
verwickeln, um mich zu orten.« Dann war die Verbindung unterbrochen.
Frauke gab den anderen Beamten den Inhalt des
Gesprächs wieder. Putensenf schlug mit der Faust auf den Tisch. »Brauchen wir
noch mehr Beweise? Das Ehepaar hat es faustdick hinter den Ohren.«
»Wir brauchen mehr Beweise«, sagte Frauke kühl. »Wir
müssen als Nächstes nach dem Motiv forschen.«
Madsack hatte sich auf der Tischplatte abgestützt und
war aufgestanden. »Ich kümmere mich um die Technik. Wir lassen Tuchtenhagens
Handy überwachen. Wenn er es benutzt hat, wissen wir, wo er steckt.« Dann stutzte
er, fingerte mit seinen fleischigen Händen auf der kleinen Tastatur und las
eine Mobilfunknummer vor. »Von
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