Mord an der Leine
vermuten, dass es Bassetti war, von Wedells
Handynummer? Unser Kollege hatte den italienischen Fleischarbeiter in der
Pizzeria Italia zufällig kennengelernt. Oder war es gar kein Zufall, obwohl
alles darauf hindeutet? Hat Lars vielleicht etwas mitbekommen, ohne dass es ihm
bewusst war, was für den Mörder hätte gefährlich werden können?«
»Jeder halbwegs intelligente Mensch kann sich
zusammenreimen, dass ein Kripobeamter sein Wissen mit anderen Polizisten
austauscht. Das gibt es nur in schlechten Filmen, dass ein Ermittler seine
Erkenntnisse für sich behält«, sagte Richter. »Das glaube ich also nicht.«
»Wenn du unterstellst, dass Verbrecher immer zu den
klugen Menschen gehören, gäbe es gar keine Straftaten«, sagte Madsack. »Dann
würde niemand töten.«
»Ich finde es bescheuert, dass man uns nicht in die
Sonderkommission aufgenommen hat«, knurrte Putensenf dazwischen.
»Das ist okay, Jakob«, erklärte Richter. »Wir alle
hier«, er wies mit dem ausgestreckten Zeigefinger nacheinander auf die
Anwesenden, »sind befangen.«
»Ich doch nicht«, grummelte Putensenf.
»Wir kennen den Ablauf des Abends – jeder aus seiner
Sicht«, sagte Frauke. »Ich würde vorschlagen, dass wir ihn noch einmal gemeinsam
rekonstruieren. Also – jeder war auf seinem Platz.«
Die drei Polizisten nickten zustimmend.
»Schön. Dann hat Lars jemanden kommen sehen. So hat er
es über Funk berichtet.«
»Ich habe den Schatten auch erkannt«, bestätigte
Richter. »Mehr aber nicht. Dafür war es zu dunkel. Ich hätte mich von meiner
Position auf dem Hügel weiter vorbeugen müssen. Es hätte dabei die Gefahr
bestanden, dass sich meine Silhouette gegen den Nachthimmel abzeichnet.«
»Ich habe niemanden gesehen«, sagte Madsack.
»Nix«, bestätigte Putensenf, nachdem Frauke ihn
angesehen hatte.
»Dann wurde geschossen«, sagte Frauke.
»Richtig. Auf Lars«, pflichtete Richter bei. »Die
Geschosse wurden aber noch nicht gefunden.«
»Der Schütze kam aus Richtung Expo-Allee um die Ecke
der Messehalle 14. Die Schussrichtung war also entweder zum Eingang des
Convention Centers, oder …«
»Lars hat sich bewegt und war schon auf dem Weg, als
auf ihn gezielt wurde. Dann müssen wir weiter hinten suchen«, warf Richter ein.
Er schien sich die Gesprächsführung zurückerobern zu wollen. »Aus einem
unerklärlichen Grund ist von Wedell plötzlich losgerannt. Auf den Schützen zu.«
»Das habe ich auch gesehen«, stimmte Frauke zu.
»Allerdings nur die beiden Schatten«.
»Jetzt folgt Spekulatives. Der Mörder hat sich hinter
der Ecke versteckt. Lars ist ihm gefolgt, hat unvorsichtigerweise nicht auf den
Hinterhalt geachtet und – der Mörder war nicht mehr vor, sondern hinter ihm.
Dann hat er ihn kaltblütig ermordet«, sagte Richter.
»Sehr kaltblütig. Wenn der Täter flüchten wollte,
fragt sich, warum er seinerseits Lars von Wedell hinterhergelaufen ist und sich
die Zeit nahm, drei Mal auf ihn zu schießen. Er musste doch damit rechnen, dass
ihm andere Beamte auf den Fersen waren.«
Richter hatte seine rechte Hand erhoben und bewegte sie
aufgeregt hin und her. »Ihre Erklärung hat einen Haken, Frau Dobermann. Wenn
der Unbekannte davon ausging, dass Lars allein auf ihn wartete, musste er nicht
mit weiteren Polizisten rechnen.«
»Dann wäre der Mörder sehr naiv. Trotz all der
bewiesenen Kaltblütigkeit.«
»Das Ganze spielte sich ja in Sekundenbruchteilen ab«,
erklärte Richter. »Und weil Tuchtenhagen diesen Fehl …«
»Moment«, unterbrach ihn Frauke. »Wir sollten nicht
von Tuchtenhagen sprechen. Oder haben Sie ihn zweifelsfrei erkannt?«
»Nicht hundertprozentig. Als ich ihn auf dem Weg zum
Südtor an der Kronsbergstraße verfolgte, habe ich ihn noch nicht einwandfrei
identifizieren können. Erst als er in das Auto sprang und davonfuhr. Es
handelte sich um Tuchtenhagens Audi. Daran gibt es keine Zweifel.«
»Jeder Anwalt erklärt Ihnen, dass in diesem Fahrzeug
jeder andere hätte flüchten können«, gab Madsack zu bedenken. »Wie groß war der
Abstand zwischen dir und dem Flüchtenden?«, wandte er sich an Richter. »Wenn
der Täter sein Fahrzeug dort geparkt hatte, musste er die Tür öffnen, ins Auto
springen und den Motor starten. Das nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch.«
»Ich hatte den Eindruck, dass der Motor lief«, sagte
Richter. »Wenn Tucht… der Täter das Vorhaben fest geplant hatte, auch den Mord
an Lars von Wedell, schließlich hat er ja ohne jede Ankündigung zuerst zwei
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