Mord an der Leine
Wort.
Sie fuhren über die auf diesem Stück gut ausgebaute
A 7 Richtung Süden. Frauke fiel auf, dass auch auf dieser Autobahn eine
nicht endende Schlange von Lkws dahinkroch. Den Truckern stand eine gute Stunde
Schwerstarbeit bevor, wenn sich die beladenen Lastzüge mühsam die Kasseler
Berge hinaufquälten.
Hinter Hildesheim stieg die Fahrbahn an und erklomm
einen ersten Höhenzug. Frauke sah zur Seite und warf einen Blick über die
flache Hildesheimer Börde mit den in der Ferne fast unwirklich erscheinenden
großen Kalibergen.
Putensenf fuhr zügig, aber angepasst, stellte Frauke
fest. Er drängelte nicht, wurde nicht ungeduldig und sah auch die Reaktionen
der anderen Verkehrsteilnehmer voraus, als an einer Stelle ein unaufmerksamer
Autofahrer die Geschwindigkeit des A-Klasse-Mercedes der beiden Beamten falsch
einschätzte und auf die linke Spur zog.
In Rhüden verließ Putensenf die Autobahn. Sie fuhren
jetzt in Richtung Harz. Frauke bot sich ein beeindruckendes Bild mit dem wie
aufgeschüttet wirkenden Mittelgebirge. Der Harz kündigte sich nicht durch eine
hügelige Landschaft an, sondern die bewaldeten Hänge stiegen plötzlich aus der
flachen Ebene empor. Die Berge schimmerten bläulich und nicht grün, wie man es
von den Wäldern vermutet hätte. Ihr fiel die erste Zeile des alten Volksliedes
»Von den blauen Bergen kommen wir« ein.
Streckenweise säumten Alleebäume die Straße, die durch
unscheinbare Dörfer führte. Schließlich erreichten sie die kleine Stadt am
Rande des Harzes. Die Tankstelle lag am anderen Ende der Stadt.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte der grauhaarige
Mann an der Kasse, nachdem er einen anderen Kunden abgefertigt hatte.
»Kripo Hannover«, sagte Frauke.
»Sie kommen wegen des Burschen, der gestern Abend hier
war? Wir haben das schon Ihren Kollegen erzählt. Die waren vor«, er warf einen
Blick auf seine Armbanduhr, »einer guten Stunde hier.«
»Es tut uns leid, aber wir müssen Sie noch einmal
befragen.«
»Schön«, sagte der Mann und rief: »Patrick!« Kurz
darauf erschien ein schlaksiger junger Mann mit einem pickligen Gesicht und sah
den älteren fragend an.
»Übernimm mal.« Dann wandte sich der Mann an die beiden
Beamten. »Kommen Sie mal durch. Hier lang.« In dem kleinen Büro hinter dem
Kassenraum befand sich das Herzstück der Elektronik, mit der eine Tankstelle
heutzutage ausgestattet ist. Kleine Monitore übertrugen das Bild der auf die
Zapfsäulen gerichteten Kameras. Auch der Verkaufsraum wurde überwacht. Der Mann
nahm einen kleinen Zettel zur Hand. »Ich habe mir die Stelle vorhin notiert,
als ich das den anderen gezeigt habe.« Er setzte sich an die Tastatur des PC s. »Verflixt, wo habe ich meine
Brille?«, fluchte er.
»Ist es diese?«, fragte Putensenf und hielt ihm eine
Hornbrille hin, die auf einem Nebentisch lag.
Der Mann setzte die Augengläser auf. Kurz darauf
lehnte er sich zurück und zeigte mit dem Finger auf den Monitor. »Hier. Das ist
er.«
Frauke und Putensenf beugten sich zum Bildschirm
hinab. Deutlich war Tuchtenhagen zu erkennen, wie er an der Kasse bezahlte.
Frauke achtete auf den Hintergrund, aber der Verkaufsraum war leer.
»War der Mann in Begleitung?«, fragte Frauke.
»Das haben die anderen, ich meine Ihre Kollegen, auch
gefragt. Ich habe daraufhin schon mit der Aushilfe telefoniert, die gestern
Abend Dienst hatte. Die Frau konnte sich nicht sicher daran erinnern, glaubt
aber, dass er allein war.« Der Tankstellenpächter gab erneut ein paar Befehle
auf der Tastatur ein. »Hier haben wir ihn noch einmal, als er draußen den Wagen
betankt hat. Da ist auch kein anderer zu sehen. Auch nicht im Wagen.«
Deutlich war zu erkennen, wie der Audi an die
Zapfsäule rollte. Dann war Tuchtenhagen ausgestiegen und hatte Benzin
eingefüllt. Nach einer Weile war er wieder aufgetaucht, eingestiegen und
davongefahren. Die beiden Beamten konnten nicht nur den Audi und das
Hannoveraner Kennzeichen erkennen, sondern auch sehen, dass kein weiterer
Passagier im Fahrzeug saß. Offensichtlich war Tuchtenhagen allein unterwegs
gewesen.
»Können wir von Ihren Aufzeichnungen Kopien bekommen?«
»Ja, wer nun?«, fragte der Tankwart und zeigte sich
zum ersten Mal ein wenig ungehalten. »Die Goslarer haben auch danach gefragt.
Reicht es nicht, wenn Sie sich untereinander einig werden? Ich hab schließlich
anderes zu tun, als Detektiv zu spielen.«
»Haben Sie den Kollegen die Aufzeichnungen
mitgegeben?«
»So schnell schießen die
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