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Mord an der Mauer

Mord an der Mauer

Titel: Mord an der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Keil
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Leben von Peter Fechter auf dem Gewissen hat.«

    Während die Anspannung nachlässt, wachsen die Verstimmungen auf der politischen Ebene. Offiziell findet die Bundesregierung klare Worte: Fechters erschütterndes Schicksal unterstreiche erneut die Tragik der Teilung Deutschlands und belege die Unmenschlichkeit Ulbrichts. Alle Schandtaten an der Mauer würden festgehalten, wer zur Ermittlung der Fechter-Mörder beitragen könne, solle sich melden. Die Bundestagsfraktionen äußern ebenfalls Solidarität mit den Opfern des SED-Regimes. Intern beklagen sich jedoch immer mehr Politiker, Brandt und sein CDU-Stellvertreter Franz Amrehn ließen »sehr viel Verständnis für die Randalierer« erkennen. Der Senat scheine der Ansicht zu sein, die Volksseele solle zwar nicht »überkochen«, müsse aber »am Kochen« gehalten werden. Dem Regierenden Bürgermeister wird das nicht gerecht, denn er will zwar die Not Berlins hinausrufen, zugleich aber Moskau keine Argumente liefern, den Status quo zu ändern. Aber Brandt weiß auch, wie er die Bundesregierung aufscheuchen kann. So fordert er, die »Schande der Mauer und alles, was damit zusammengehört, vor die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen« zu bringen.
    Konrad Adenauer ist zufrieden, als der Bonner Botschafter der USA, Walter Dowling, ihm am Abend des 20. August berichtet, mit Zustimmung der Engländer und Franzosen werde am Übergang Friedrichstraße ein Sanitätswagen der Alliierten stationiert. Sollte sich solch ein Zwischenfall wiederholen, würden Sanitäter mit Rotkreuzarmbinden versuchen, dem Opfer zu Hilfe zu kommen, wenn man sie ließe. Der Bundeskanzler bittet den Botschafter, diese Pläne möglichst bald der Öffentlichkeit mitzuteilen. Tatsächlich steht am folgenden Tag am Checkpoint Charlie ein Ambulanzwagen, dessen Auftrag allerdings begrenzt wird: Die Sanitäter sollen verletzten Personen im Grenzstreifen zu Hilfe kommen, sie jedoch nicht auf West-Berliner Gebiet bringen. Ist eine Versorgung an Ort und Stelle nicht möglich, müssen sie in ein Ost-Berliner Krankenhaus eingeliefert werden. In Washington wächst offenbar die Sorge vor weiteren Konfrontationen mit den Sowjets, was die Kritik der Zeitung Evening Star an den wiederholten Übergriffen der West-Berliner auf sowjetische Fahrzeuge zeigt. Die Sowjets haben schließlich mit gepanzerten Fahrzeugen die Durchfahrt ihrer Wachablösung zum Ehrenmal erzwungen. »Eine mögliche Konsequenz ist ein Krieg, und wir glauben nicht, dass es dem Straßenpöbel erlaubt sein sollte, uns in einen Krieg zu verwickeln«, schreibt der Star .
    Die Kriegsangst mag übertrieben sein, doch die Vorfälle in West-Berlin kommen den Sowjets gelegen. Sie wollen den Status der Vier-Mächte-Stadt ändern und Ost-Berlin formal in die DDR eingliedern – weshalb sie am 20. August das Angebot der Amerikaner zu Vierergesprächen ausschlagen. Auch ein Gespräch von US-Außenminister Dean Rusk mit dem sowjetischen Botschafter in Washington führt nicht weiter. Unbeeindruckt schafft Moskau Tatsachen: Am 22. August gibt das sowjetische Verteidigungsministerium die Auflösung seiner Kommandantur in Ost-Berlin bekannt. Neuer Stadtkommandant der »Hauptstadt der DDR« wird der NVA-General Helmut Poppe. Die Westmächte beraten über Gegenmaßnahmen, verzichten aber auf konkrete Beschlüsse. Für ihren Vorstoß haben die Sowjets geschickt einen Augenblick höchster Spannung in Berlin gewählt.
    In Ost-Berlin hat sich inzwischen die SED-Presse auf das Thema Peter Fechter eingeschossen. Die Berliner Zeitung erinnert am 19. August in ihrem Kommentar an die drei bisher im Dienst getöteten Grenzpolizisten, die »ihr blühendes Leben« geopfert hätten: »Ihnen gilt unsere Liebe.« Die Schuld an der Zuspitzung liege bei den Westmedien und alten Nazis. »Die Frontstadtjournaille ruft die Frontstadtkanaillen zu neuen Provokationen. Sie hilft, allen voran Herr Springer, die Verbrechen zu organisieren.« Auf den Verleger Axel Springer zielt auch das Neue Deutschland in seinem Kommentar. »Wenn unsere wachsamen Grenzpolizisten solche schändlichen Untaten an unserer Staatsgrenze verhindern, stimmt die Westpresse im Chor ein albernes Geschrei an. Am Freitag haben unsere Grenzsicherungsorgane einen Provokateur auf frischer Tat ertappt und, als er auf Zurufe nicht reagierte, erschossen. Nun heulen Springer und Komplizen Krokodilstränen. Dabei wissen sie, dass auch dieser Tote auf ihr eigenes Schuldenkonto, auf das Konto der Frontstadtpolitik

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