Mord au chocolat
Freund?« Jetzt rede ich genauso wie Jamie Price. Mit erhobener Fragezeichenstimme. Dagegen kann ich nichts machen. Detective Canavan jagt mir ein bisschen Angst ein. Schon früher war ich in mehrere Fischer-Hall-Mordfälle verwickelt, aber noch nie verdächtig. Außerdem nimmt er mich gnadenlos in die Mangel, das erinnert mich an meinen Dad. Nicht, dass sich mein Dad für mein Privatleben interessieren würde.
»Welcher neue Freund?«, will er wissen.
»O Gott!«, jammere ich. Glücklicherweise wurde ich in dieser Epoche geboren und war kein Mitglied der französischen Résistance. Hätte die Gestapo mich verhört, wäre ich in zwei Sekunden zusammengebrochen. Man hätte mich nur anschauen müssen, und ich hätte alle meine Geheimnisse ausgeplaudert. »Also, ich schlafe mit einem Mathematikdozenten, okay? Das dürfen Sie niemandem erzählen? Sonst bringe ich ihn in Schwierigkeiten? Würden Sie seinen Namen aus Ihrem Bericht raushalten? Den werde ich natürlich nennen, und Sie können mit ihm reden, wenn Sie mir nicht glauben und meine Story überprüfen wollen? Aber wenn sein Name nicht erwähnt wird, wäre es großartig …«
Eine Zeit lang starrt er in meine Augen. Was er denkt, sehe ich ihm nicht an. Aber ich errate es – eine Studentin, die’s mit einem Dozenten treibt, damit sie bessere Noten kriegt. Ein Irrtum, wie sich herausstellt.
»Und Cooper?«, fragt er.
Jetzt starre ich ihn an. »Cooper?« Ich blinzle ein paar Mal. »Was soll mit ihm sein?«
Detective Canavan seufzt genauso verwirrt, wie ich mich fühle. »Nun, ich dachte, er wäre Ihr – Sie wissen schon. Ihre Flamme, Ihr Schwarm – oder wie immer ihr Kids das heutzutage nennt.«
Entgeistert runzle ich die Stirn. »Flamme? Sind Sie achtzig?«
»Ich dachte, Sie wären in ihn verknallt. Das sagten Sie doch, in dieser Nacht, als die Jungs von der Studentenverbindung ein Opfer aus Ihnen machen wollten …«
»Nur wegen der Drogen.« Hoffentlich merkt er nicht, dass ich rot werde. »Wenn ich mich recht entsinne, habe
ich auch Ihnen gesagt, ich würde Sie lieben. Und den Blumenkästen vor dem Haus. Und den Sanitätern. Und dem Notarzt, der mir den Magen ausgepumpt hat. Und meinem Infusionsständer.«
»Trotzdem …« Detective Canavans Verwirrung kommt mir immer seltsamer vor. »Die ganze Zeit dachte ich, Sie und Cooper …«
»Da haben Sie sich geirrt«, unterbreche ich ihn hastig. »Jetzt bin ich mit Tad zusammen. Bitte, machen Sie ihm keinen Ärger. Erwähnen Sie ihn nicht in Ihrem Bericht. Er ist so nett. Ich möchte nichts tun, was seine feste Anstellung am College gefährden würde.« Außer mit ihm bumsen. Das spreche ich natürlich nicht aus.
»Hm. Okay. Haben Sie im Park irgendwas gehört oder gesehen?«
»Nein.« In Dr. Veatchs Büro macht sich irgendwer über seinen Garfield-Kalender lustig, und jemand anderer unterdrückt ein Kichern.
»Was wissen Sie über diesen Vetch?«
»Das spricht man ›Viiitsch‹ aus«, korrigiere ich ihn.
»Ist das ein Witz?«
»Nein«, sage ich und lächle wehmütig. »Er kam aus Iowa. Und er hat sich scheiden lassen. Das war einer der Gründe, warum er den Job hier annahm.«
»Er kam aus Illinois.«
»Genau, Illinois.« Ich verstumme.
»War’s das?«
Ich versuche nachzudenken. »Einmal zeigte er mir eine Seite aus seinem Garfield-Kalender, die er komisch fand – einen Cartoon, in dem Garfield diesem Hund …«
»Odie«, ergänzt Detective Canavan.
»Ja. Odie. Also, er bringt Odie eine Lasagne, und der Hund freut sich ganz wahnsinnig. Aber Garfield stellt den Teller außerhalb der Reichweite von Odies Leine hin, und der Hund kommt nicht ran.«
»Kranker Bastard.«
»Wer? Der Kater? Oder Dr. Veatch?«
»Beide.«
»Stimmt.«
»Fällt Ihnen jemand ein, der sauer auf ihn war?«
»Sauer?« Ich fahre mit einem Finger durch meine sperrigen, mit Gel versteiften Haare. »So sauer, dass er ihn erschoss? Nein, ich kenne niemanden, der einen mörderischen Hass auf Owen hatte. Klar, einige Kids mochten ihn nicht besonders. Aber er ist ja auch der Fischer-Hall-Leiter – eh – der Interimsleiter. Und der Ombudsmann vom Präsidentenbüro. Den muss niemand mögen. Aber niemand hasste ihn so sehr – nicht dass ich wüsste.«
Detective Canavan blättert in seinem Notizbuch. »Hat er in den letzten Monaten jemanden gefeuert?«
»Gefeuert?« Ich lache. »Am New York College wird man nicht gefeuert, sondern versetzt.«
»Und diese Scheidung … Gab’s da Streitereien?«
»Wie soll ich das
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