Mord au chocolat
Ridge? In dieser schicken, exklusiven Gemeinde mit höchstens fünftausend Einwohnern? Gibt’s da ein Gefängnis? Ist denn die ganze Welt verrückt geworden?
»Wirklich, Ma’am...« Diesen Moment wählte Tom, um die erste der zahlreichen Entschuldigungen vorzubringen, die er in der nächsten halben Stunde äußern sollte. »Tut mir so leid, ich hatte keine Ahnung...«
»Schon gut«, sagte sie und schenkte ihm ein dünnes Lächeln. »Das konnten Sie nicht wissen. Nun?«, wandte sie sich wieder an mich. »Ist es weit entfernt?«
»Einen Häuserblock.«
Erleichtert atmete sie auf. »Also kann ich zu Fuß hingehen? Tut mir leid, dass ich Ihnen zur Last falle. Aber ich bin heute schon so lange auf den Beinen...«
Warum wollte sie Owens Apartment sehen? »Nur ein Häuserblock...«
»Vielleicht würden Sie mir helfen, Heather...« Erst jetzt bemerkte ich den Koffer mit Rädern, der hinter ihr stand, die gesteppte, rotweiß geblümte Reisetasche an ihrer Schulter. »Sie müssten eigentlich wissen«, ihr breites, freundliches Gesicht – nicht direkt hübsch und völlig ungeschminkt, aber sympathisch – nahm einen sorgenvollen Ausdruck an, »weil Sie ja mit Owen zusammengearbeitet haben, ob jemand dort war, um Garfield seine Pillen zu geben.«
»Uh…« Verwundert wechselte ich einen Blick mit Tom. »Wen meinen Sie, Ma’am?«
»Garfield.« Dr. Veatchs Ex starrte uns an, als wären wir wahnsinnig. »Owens Kater.«
Owen hat einen Kater besessen – und die Verantwortung für ein anderes Lebewesen übernommen? Gewiss, nur für ein vierbeiniges, aber immerhin. Natürlich, deshalb war er ganz verrückt nach den Garfield-Karikaturen, in einem Ausmaß, das wir alle nicht verstanden. Aber dass er in seiner Wohnung einen Kater hielt... Owen, der
steifste, gefühlsärmste Mensch, den ich jemals kannte, liebte ein HAUSTIER? Davon hatte ich nichts geahnt.
Nun sah ich ihn in einem ganz neuen Licht, das gebe ich zu. Wenn’s auch albern klingt, es stimmt – plötzlich fand ich ihn netter. Okay, erst jetzt fand ich ihn nett.
Wahrscheinlich verbarg ich meine Verblüffung nicht, denn Pam rief entsetzt: »Soll das heißen, das arme Ding hat seit gestern kein Futter und kein Wasser bekommen? Garfield leidet an einer Schilddrüsenstörung! Jeden Tag braucht er seine Pillen!«
Während Tom in unserem Büro die Stellung hielt, begleitete ich sie zu Owens Apartment. Wir warteten auf den Hausmeister, dann ging ich mit ihr nach oben und half ihr mit dem Schlüssel, in diesen alten Häusern sind die Schlösser oft problematisch.
Nervös sah ich mich um, als sie nach dem Kater rief. »Garfield? Garfield? Hierher, Miez, Miez, Miez!« Klar, er war okay, ein großes, bedrohliches orangegelbes Geschöpf, genau wie sein Namensvetter. Und er brauchte nur eine – nein, zwei Dosen Katzenfutter, Wasser und eine winzige weiße Pille, die Pam anscheinend mühelos in einer dekorativen blauweißen Zuckerschüssel fand, passend zum restlichen Porzellan im kleinen Geschirrschrank in Owens Esszimmer. Danach war er so gut wie neu. Zufrieden schnurrte er in Pams Schoß.
Weil ich nicht wusste, was ich sonst noch tun konnte, ließ ich die beiden allein. Garfield schien Pam zu kennen, und Owen brauchte das Apartment nicht mehr. In absehbarer Zeit würde das Präsidentenbüro die Wohnung irgendwem zuteilen. Aber Pam liebte den Kater offensichtlich, jemand musste sich um ihn kümmern, also war’s nur logisch, dass sie bei ihm blieb.
Simon Hague würde ihr sicher nicht erlauben, Garfield in die Wasser Hall mitzunehmen. Nur zu gut kenne ich seine Abneigung gegen Haustiere. Ich selber drücke ein Auge zu, wenn ich in der Fischer Hall ein Kätzchen oder einen Leguan sehe, solange die Zimmer und die Mitbewohner nicht drunter leiden und die Eltern nicht anrufen, um sich zu beschweren. Sicher würde er Pam und Garfield den Zutritt verwehren, selbst wenn dieser Kater der Liebling eines eben ermordeten Verwaltungsbeamten war.
Nein, Pam und Garfield sind in Owens Apartment gut aufgehoben. Aber ich dachte, ein Telefonat mit Detective Canavan würde nicht schaden. Nur um sicherzugehen, dass seine Cops nicht mehr in den persönlichen Sachen des Opfers herumwühlen würden.
Wieder in der Fischer Hall, hinterließ ich eine Nachricht für den Detective. Dann erinnerte ich mich an Gavin.
Als ich mit dem Rock Ridge Police Department verbunden bin, stelle ich fest, dass es dort nur einen einzigen Gefangenen gibt. Ich muss auch nicht mit mehreren Cops reden, bis ich
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