Mord au chocolat
an den Polizeichef herankomme. Nein, der meldet sich selber nach dem ersten Läuten, ein gewisser Henry T. O’Malley.
»Ist das die Heather Wells?«, will er wissen. »Der ich vor zehn Jahren ständig zuhören musste, weil meine Kinder mich dazu zwangen, bis ich dachte, ich würde den Verstand verlieren und müsste mir mit meiner Dienstwaffe ins Kinn schießen?«
Diese Frage ignoriere ich und erkundige mich: »Darf ich erfahren, warum Sie Gavin McGoren in Ihrem Gefängnis festhalten, Sir?«
»›Every time I see you, I get a Sugar Rush‹«, singt er,
gar nicht übel für einen Amateur. »›You’re like candy. You give me a Sugar Rush.‹«
»Was immer er getan haben mag, er hat’s sicher nicht so gemeint. Manchmal flippt er ein bisschen aus – er ist erst einundzwanzig.«
»Unbefugtes Eindringen in privaten Grundbesitz.« Offenbar liest er mir den Bericht über Gavins Verhaftung vor. »Einbruch... Unter uns gesagt, ich vermute, diese letzte Anklage wird fallen gelassen. Wenn einem jemand ein Fenster öffnet und wenn man eingeladen wird, ist das kein Einbruch, ganz egal, was der Vater des Mädchens glauben will. Ach ja, und Urinieren in der Öffentlichkeit. Damit wird er Ärger kriegen. Direkt vor meinen Augen hat er seinen Reißverschluss runtergezogen...«
Unfassbar, im Hintergrund höre ich Gavin schreien: »Das sagte ich doch, ich musste mal!«
»Halten Sie den Mund da hinten!«, brüllt der Chief, anscheinend über seine Schulter, ich muss den Telefonhörer von meinem Ohr entfernen, damit mein Trommelfell nicht platzt. »Ihr Glück, dass ich den Anruf entgegennahm und niemand von der Staatspolizei! Sonst würden Sie jetzt im Westchester sitzen. Meinen Sie, da hätten Sie heute Morgen Kaffee und Waffeln zum Frühstück gekriegt? Und frisch gepressten Orangensaft?«
Im Hintergrund höre ich Gavin widerwillig zugeben: »Nein.«
»Dann denken Sie dran«, rät ihm Chief O’Malley. »Also«, sagt er ins Telefon, »wo waren wir gerade? Ach ja. ›Sugar Rush. Don’t tell me stay on my diet. You have simply got top try it.‹ Diese Worte haben sich für immer in mein Gedächtnis eingegraben. Die sang meine Tochter von morgens bis abends. Zwei Jahre lang.«
»Tut mir leid.« Im Ernst, warum muss immer ich an sarkastische, überdrüssige Polizisten geraten? Und niemals an die netten, enthusiastischen? Gibt’s überhaupt nette, enthusiastische? »Wie hoch ist die Kaution?«
»Mal sehen.« Ich höre, wie Chief O’Malley in den Papieren auf seinem Schreibtisch wühlt.
»Kann ich mit ihr reden?«, schreit Gavin im Hintergrund. »Bitte, Sie sagten doch, ich dürfte einmal telefonieren. Bis jetzt habe ich mit niemandem telefoniert, weil ich Heather nicht erreicht habe. Kann ich bitte jetzt mit ihr reden? Lassen Sie mich heraus? Bitte?«
»Gegen fünftausend Dollar kommt Mr McGoren frei«, erklärt Chief O’Malley schließlich.
»Fünftausend Dollar?«, quietsche ich so schrill, dass Toms Kopf in der Tür zum angrenzenden Büro erscheint, die Brauen fragend erhoben. »Für unbefugtes Eindringen auf privaten Grundbesitz? Und öffentliches Urinieren?«
»Und Einbruch«, erinnert mich Chief O’Malley.
»Vorhin sagten Sie, diese Anklage würde man fallen lassen!«
»Bis jetzt ist das nicht passiert.«
»Das – das...« Ich kann kaum atmen. »Das ist der reinste Nepp!«
»Miss Wells, wir sind eine einfache kleine Stadt. Hier wird nur selten ein Verbrechen verübt. Und wenn es geschieht, greifen wir durch. Ziemlich hart. Damit wir eine einfache kleine Stadt bleiben, müssen wir gewisse Maßstäbe setzen.«
»Wo soll ich fünftausend Dollar hernehmen?«, jammere ich.
»Rufen Sie Mr McGorens Eltern an«, schlägt er vor.
»Aus Gründen, die er mir nicht mitteilen möchte, zieht er es vor, Sie anzurufen.«
»Lassen Sie mich mit ihr REDEN!«, schreit Gavin im Hintergrund.
»Wurden Sie von Jamie Prices Eltern verständigt, Sir?«, frage ich. »Wer hat Sie angerufen? Wurde Gavin in Jamies Elternhaus gefunden?«
»Vorerst darf ich die Einzelheiten von Mr McGorens Fall nicht mit Ihnen erörtern«, erwidert Chief O’Malley. »Aber – ja, so war’s. Und wie ich hinzufügen möchte«, fuhr er in strengem Ton fort, »war er nicht vollständig bekleidet, als ich ihn festnahm. Da kroch er gerade aus Miss Prices Schlafzimmerfenster. Damit meine ich nicht die Szene, in der er seinen Reißverschluss öffnete, dazu kam es erst später.«
»He!«, höre ich Gavin protestieren.
»O Gott.« Mein Kopf fällt auf den
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