Mord au chocolat
nachweisen und Zeugen suchen?«
»Immerhin hatte er ein Motiv. Und die Tatwaffe. Und kein Alibi. Vermutlich findet der Staatsanwalt, das wäre ein glasklarer Fall.«
»Ja, bis auf eins«, murre ich, »Sebastian war’s nicht.«
Mein Handy klingelt, Patty ist dran. Natürlich weiß ich, dass sie nicht besonders gut auf mich zu sprechen ist. Aber es überrascht mich, wie deutlich sie das zeigt. »Was?«, schreit sie. »Du bist auf dem Weg nach Westchester? Wolltest du nicht sofort zurückkommen?«
»Da muss ich hinfahren«, antworte ich. Normalerweise ist sie die fröhlichste Frau von der Welt. Aber nicht, wenn sie im ersten Trimester ist. Auch nicht im zweiten. Wenn ich mich an die Zeit vor Indianas Geburt erinnere – im dritten auch nicht. Wahrscheinlich ist sie während einer ganzen Schwangerschaft schlecht gelaunt. »Vorhin wollte ich das nicht sagen.«
»Warum nicht? Weil du wusstest, ich würde dich für verrückt halten? Weil es total bescheuert ist, nach Rock Ridge zu fahren, um einen Jungen aus dem Knast zu holen, der gar nicht dein Sohn ist? Genauso, wie es reiner Wahnsinn ist, einen Kerl zu heiraten, mit dem du erst seit drei Monaten zusammen bist?«
Weil sie so laut kreischt, halte ich das Handy von meinem Ohr weg. Dabei kann ich es mir nicht verkneifen, Cooper anzuschauen und herauszufinden, ob er zuhört. Aber er spielt am Kassettenrekorder herum – o ja, der’74 2002 BMW hat nur einen Kassettenrekorder, keinen CD-Player. Dann erklingen die süßen Töne von Ella. Also droht mir keine Gefahr.
»Unsinn, ich fahre nicht nach Rock Ridge, um ihn rauszuholen«, brumme ich ins Handy. »Ich will nur mit ihm reden. Außerdem«, füge ich noch leiser hinzu und drehe den Kopf zum Fenster. »Du hast die Brautmodenmagazine mitgebracht. Und er hat mich noch nicht einmal gefragt. Alles, was er sagte...«
»Was? Ich höre dich nicht. Heather, ein Mann ist tot. Nur ein paar Schritte von deinem Schreibtisch entfernt, wurde er in den Kopf geschossen. Im selben Gebäude, wo du vor ein paar Monaten fast gestorben wärst. Was muss denn sonst noch passieren, damit du dir endlich einen neuen Job suchst? Einen Job, wo nicht dauernd jemand umgebracht wird?«
»Komisch, dass du es erwähnst...« Aus den Augenwinkeln spähe ich wieder zu Cooper hinüber. Jetzt schaut er auf die Straße, weil ein kolossaler Sattelschlepper an uns vorbeibraust. Ärgerlich hupt der Fahrer, weil wir so langsam dahinkriechen. Aber das macht Cooper nichts aus. Grinsend winkt er dem Mann zu.
»Was ist das für ein Geräusch?«, fragt Patty. »Sitzt du in einem Boot?«
»Nein.«
»Weil das wie ein Nebelhorn klingt.«
»Nur ein Laster. Ich bin auf dem Highway. Patty, können wir später reden? Es ist gerade ungünstig...«
»Das alles sage ich nur, weil ich dich wie eine Schwester liebe. Das weißt du, Heather.« Wie eine Schwester ignoriert sie auch meinen Einwand. »Aber das muss sich ändern. So kannst du nicht weitermachen – mit dem einen Kerl schlafen, obwohl du einen anderen liebst...«
»Was ist das, Patty?« Plötzlich gebe ich ein paar zischende Laute von mir. »Irgendwas im Netz...«
»Heather, ich weiß, dass du das machst. Es klingt nicht nach Störgeräuschen. Wenn du wieder in der Stadt bist, setzen wir uns in aller Ruhe zusammen und reden.«
»Uh-oh... Jetzt kann ich dich gar nicht mehr hören. Anscheinend fahre ich durch ein Funkloch. Ich mache Schluss. Bye.«
Sobald ich die Aus-Taste gedrückt habe, will Cooper wissen: »Also hat Tad gefragt, ob du ihn heiraten willst?«
»O Gott!«, ächze ich frustriert. »Nein! Okay?«
»Wieso hat Patty dann Brautmodenmagazine mitgebracht?«
»Weil jeder die Flöhe husten hört. Gestern sagte Tad, er müsste mich was fragen, aber erst, wenn das Timing richtig ist.« Habe ich das tatsächlich Cooper anvertraut? Dem letzten Menschen, dem ich irgendwas über meinen Freund erzählen will? Wenn ich wieder in der Stadt bin, bringe ich Patty um. »Aber das hat sicher nichts zu bedeuten. Ich hätte es gar nicht erwähnen sollen. Schon gar nicht in Toms Gegenwart, der die größte Klappe im ganzen Universum hat und...«
»Du bist erst drei Monate mit Tad zusammen«, sagt Cooper zum Lenkrad.
»Ja, aber – weißt du...«
»Nein.« Jetzt schaut er mich an. Sollte ich seine Miene beschreiben, würde ich sagen – irgendwas zwischen ungläubigem Staunen und Sarkasmus. »Gar nichts weiß ich. Was ist eigentlich mit dir los? Wen spielst du jetzt? Britney Spears? Mein Bruder ist
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