Mord auf dem Golfplatz
der Untersuchungsrichter. »Erkennen Sie das hier?«
Er nahm einen Gegenstand von dem Tisch zu seiner Rechten und hielt ihn dem Gefangenen hin. Ich fuhr zusammen, als ich das Flugzeugmesser erkannte.
»Pardon«, rief Jacks Anwalt, Maître Grosier. »Ich will mit meinem Mandanten sprechen, ehe er diese Frage beantwortet.«
Doch Jack Renauld hatte keinerlei Mitleid mit dem unseligen Grosier. Er winkte ab und sagte ruhig:
»Ja, natürlich. Ich habe dieses Messer meiner Mutter geschenkt, als ein Andenken an den Krieg.«
»Und gibt es Ihres Wissens ein Duplikat dieses Messers?«
Wieder meldete sich Maître Grosier zu Wort, wieder winkte Jack ab.
»Nicht, dass ich wüsste. Ich habe es ja selbst entworfen.«
Sogar der Untersuchungsrichter schnappte angesichts dieser kühnen Behauptung nach Luft. Jack schien sein Schicksal geradezu überstürzen zu wollen. Ich wusste natürlich, dass er Bella zuliebe verschweigen musste, dass es ein zweites, genau gleiches Messer gab. Solange von einem Messer ausgegangen wurde, konnte die Frau, die das zweite Papiermesser besaß, kein Verdacht treffen. Tapfer schützte er die Frau, die er einst geliebt hatte – aber welchen Preis würde er dafür bezahlen müssen! Allmählich begriff ich, welch große Aufgabe ich Poirot so leichtfertig übertragen hatte. Es würde nicht leicht fallen, für Jack Renauld einen Freispruch zu erwirken, solange die Wahrheit nicht auf den Tisch kam.
M. Hautet fuhr in ausgesprochen schneidendem Tonfall fort:
»Madame Renauld sagt, das Messer habe in der Mordnacht auf ihrem Tisch gelegen. Aber Madame Renauld ist eine Mutter. Es wird Sie überraschen, Renauld, aber ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Madame Renauld sich irrt und dass Sie das Messer, vielleicht unbeabsichtigt, mit nach Paris genommen hatten. Sie werden mir sicher widersprechen…«
Ich sah, wie der Junge die gefesselten Hände rang. Ihm trat der Schweiß auf die Stirn, als er mit gewaltiger Willensanstrengung M. Hautet heiser ins Wort fiel:
»Ich werde Ihnen nicht widersprechen. Es ist möglich.«
Es war ein verwirrender Moment. Maître Grosier sprang auf und rief:
»Mein Mandant steht unter beträchtlicher nervlicher Anspannung. Bitte, nehmen Sie zu Protokoll, dass ich ihn für seine Aussagen nicht für verantwortlich halte.«
Der Untersuchungsrichter winkte wütend ab. Vorübergehend schienen auch ihm Zweifel zu kommen. Jack Renauld hatte seine Rolle beinahe zu gut gespielt. Hautet beugte sich vor und blickte den Gefangenen forschend an.
»Ist Ihnen wirklich klar, Renauld, dass Ihre Antworten mir keine andere Möglichkeit lassen, als den Prozess gegen Sie zu eröffnen?«
Jacks bleiches Gesicht errötete. Er erwiderte Hautets Blick vollkommen ruhig.
»Monsieur Hautet, ich schwöre, dass ich meinen Vater nicht ermordet habe.«
Doch der kurze Zweifel des Untersuchungsrichters war verflogen. Er lachte verärgert.
»Zweifellos, zweifellos – unsere Gefangenen sind immer unschuldig. Doch Ihr eigener Mund hat Sie verurteilt. Sie haben nichts zu Ihrer Verteidigung zu sagen, haben kein Alibi – Sie stellen nur die Behauptung auf, unschuldig zu sein, und damit könnten Sie nicht einmal einen Säugling täuschen. Sie haben Ihren Vater ermordet, Renauld, es war ein grausamer, feiger Mord – nur um des Geldes willen, das Sie nach seinem Tod zu erben glaubten. Ihre Mutter ist danach zu Ihrem Werkzeug geworden. Zweifellos wird das Gericht milde mit ihr verfahren, schließlich hat sie als Mutter gehandelt. Doch Sie können nicht mit Milde rechnen, und das ist nur gut so! Sie haben ein entsetzliches Verbrechen begangen – ein Verbrechen, das von Göttern und Menschen gleichermaßen verabscheut wird!«
Zu seinem großen Ärger wurde M. Hautet an dieser Stelle unterbrochen. Die Tür wurde aufgerissen.
»Monsieur le juge, Monsieur le juge«, stammelte der Beamte, »hier ist eine Dame, die sagt – die sagt…«
»Wer sagt was?«, rief der zu Recht erzürnte Untersuchungsrichter. »Das geht doch einfach nicht. Ich verbitte mir das – ich verbitte mir das aufs Energischste!«
Doch eine schlanke Gestalt schob den stammelnden Beamten beiseite und drängte sich ins Zimmer. Sie war schwarz gekleidet, und ein langer Schleier verbarg ihr Gesicht.
Mein Herz hämmerte. Da war sie also! All meine Bemühungen waren vergebens gewesen. Doch ich musste den Mut bewundern, der sie zu diesem tapferen Schritt bewogen hatte.
Sie hob den Schleier – und ich keuchte auf. Denn die beiden Frauen
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