Mord auf dem Golfplatz
beschützen, und nun war alles umsonst.«
»Sie konnten wohl kaum erwarten, dass sie Sie mit Ihrem Leben bezahlen lassen würde«, sagte Stonor trocken. »Sie musste sich doch melden, als sie sah, dass Sie voll auf die Guillotine zusteuerten.«
»Eh, ma foi! Und so war es doch!«, fügte Poirot mit einem leichten Augenzwinkern hinzu. »Wenn Sie so weitergemacht hätten, wäre Maître Grosier vor Wut gestorben, und Sie hätten ihn auf dem Gewissen gehabt.«
»Er war ein wohlmeinender Esel, nehme ich an«, sagte Jack. »Aber er hat mir schreckliches Kopfzerbrechen bereitet. Ich konnte ihn doch nicht ins Vertrauen ziehen. Aber mein Gott, was soll jetzt aus Bella werden?«
»Ich an Ihrer Stelle«, erwiderte Poirot offen, »würde mir da keine übermäßigen Sorgen machen. Die französischen Richter sind Jugend und Schönheit immer sehr freundlich gesinnt, und dann ein crime passionnel! Ein geschickter Anwalt wird eine Menge mildernde Umstände finden. Es wird nicht angenehm sein für Sie…«
»Das ist mir egal. Wissen Sie, Monsieur Poirot, in gewisser Hinsicht habe ich wirklich das Gefühl, am Tod meines Vaters schuld zu sein. Ohne mich und mein Verhältnis zu diesem Mädchen wäre er heute noch am Leben. Und dann war ich auch noch so verdammt nachlässig und habe den falschen Mantel mitgenommen. Da muss ich mich doch für seinen Tod verantwortlich fühlen. Und das wird mich für immer verfolgen.«
»Nein, nein«, sagte ich beruhigend.
»Natürlich ist es eine schreckliche Vorstellung für mich, dass Bella meinen Vater umgebracht hat«, überlegte Jack. »Aber ich hatte sie schändlich behandelt. Nachdem ich Marthe kennen gelernt und erkannt hatte, dass ich einen Fehler gemacht hatte, hätte ich ihr schreiben und ehrlich alles sagen müssen. Aber ich hatte furchtbare Angst vor einem Streit, der womöglich auch noch Marthe zu Ohren gekommen wäre, und dann hätte Marthe die andere Sache für wichtiger gehalten, als sie jemals war – kurzum, ich war ein Feigling und habe gehofft, die Sache würde ganz von allein einschlafen. Ich wollte einfach Zeit schinden – und mir war nicht klar, dass ich das arme Kind zur Verzweiflung trieb. Wenn sie mich tatsächlich erstochen hätte, wie sie es ja wollte, dann wäre mir nur recht geschehen. Und wie sie sich jetzt gestellt hat, das zeugt doch wirklich von Mumm. Ich hätte nämlich durchgehalten, wissen Sie – bis zum bitteren Ende.«
Er verstummte kurz, dann wandte er sich aufgeregt einem anderen Thema zu.
»Was ich nicht kapiere, ist, warum mein alter Herr mitten in der Nacht in Unterwäsche und meinem Mantel umherspaziert ist. Ich nehme an, er war diesen komischen Ausländern entwischt und meine Mutter hat sich mit der Zeit vertan und die Männer waren nicht erst um zwei da, sondern früher. Oder – oder, das war doch nicht alles nur vorgetäuscht, oder? Ich meine, meine Mutter hat doch nicht geglaubt – sie konnte doch nicht glauben… dass… dass ich es war?«
Poirot beruhigte ihn sogleich.
»Nein, nein, Monsieur Jack. Machen Sie sich da keine Sorgen. Und alles andere werde ich Ihnen demnächst einmal erklären. Das Ganze ist recht seltsam. Aber würden Sie uns bitte noch genau erzählen, was sich an jenem schrecklichen Abend zugetragen hat?«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich war aus Cherbourg gekommen, wie ich Ihnen gesagt habe, weil ich Marthe noch einmal sehen wollte, ehe ich mich ans andere Ende der Welt einschiffte. Der Zug hatte Verspätung, und ich wollte die Abkürzung über den Golfplatz nehmen. Von dort konnte ich leicht in den Garten der Villa Marguerite gelangen. Ich war fast dort, als…«
Er verstummte und schluckte.
»Ja?«
»Ich hörte einen entsetzlichen Schrei. Nicht laut – es war eher eine Art Würgen und Keuchen, aber es machte mir Angst. Einen Moment lang war ich wie erstarrt. Dann ging ich um einen Busch herum. Der Mond schien. Ich sah das Grab, und darin lag eine Gestalt, mit dem Gesicht nach unten und einem Messer im Rücken. Und dann… und dann… dann schaute ich auf und sah sie. Sie starrte mich an, als hätte sie ein Gespenst vor sich – bestimmt hat sie mich im ersten Moment dafür gehalten, in ihrem Gesicht war nichts als pures Entsetzen. Dann stieß sie einen Schrei aus, drehte sich um und stürzte davon.«
Er verstummte und versuchte, seine Bewegung unter Kontrolle zu bringen.
»Und danach?«, fragte Poirot sanft.
»Das weiß ich nicht so recht. Ich bin wie betäubt eine Weile dort stehen geblieben. Und dann
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