Mord auf der Leviathan
eingewilligt?« fragte lachend der Leutnant.
»Ja. Für zwei Taschen.«
»Und der Indianerhäuptling?« fragte Fandorin lächelnd. Er hat ein schönes Lächeln, nur sehr jungenhaft, dachte Clarissa. Nein, Teuerste, schlage ihn dir aus dem Kopf. Wie man in Suffolk sagt: Lecker und rund, aber nicht für deinen Mund.
»Den Indianerhäuptling nahm Kleopatra Frankenstein mit«, antwortete Coche mit ernster Miene. »Für wissenschaftliche Untersuchungen. Er soll später in einem Bordell zu Denver im Suff erstochen worden sein.«
»Tatsächlich, eine interessante P-person, diese Marie Sansfond«, sagte Fandorin nachdenklich. »Erzählen Sie mehr von ihr. Von diesen geschickten Gaunereien bis zum kaltblütigen Massenmord ist es noch ein g-ganzes Ende.«
»Oh, please, it’s more than enough«, protestierte Mrs. Truffo und wandte sich an ihren Mann. »My darling, it must be awfully tiresome for You to translate all this nonsense.« 2
»Madame, es zwingt Sie ja niemand, hier zu sitzen«, antwortete der Kommissar beleidigt.
Mrs. Truffo klapperte empört mit den Augen, dachte aber nicht daran zu gehen.
»Der Herr Kosak hat recht«, sagte Coche. »Ich will mal ein etwas böseres Beispiel raussuchen.«
Madame Kleber prustete mit einem Blick auf Fandorin, und auch Clarissa konnte sich trotz ihrer Nervosität eines Lächelns nicht enthalten, so wenig ähnelte der Diplomat einem wilden Sohn der russischen Steppe.
»Also, das Negerbaby, hören Sie zu. Hier haben wir auch einen letalen Ausgang. Die Sache liegt noch nicht lange zurück, zwei Jahre.« Der Kommissar sah ein paar zusammengeklammerte Blätter durch, um seine Erinnerung aufzufrischen. Er griente. »In gewisser Hinsicht ein Meisterwerk. Ich habe so allerhand in meiner Mappe, meine Damen und Herren.« Liebevoll klopfte er mit seiner kurzfingrigen Plebejertatze auf den schwarzen Kalikodeckel. »Der alte Coche hat sich gründlich auf die Reise vorbereitet und kein Papierchen vergessen, das ihm zupaß kommen könnte. Die Geschichte, die ich Ihnen jetzt erzähle, ist der Presse noch nicht zur Kenntnis gelangt, doch ich habe hier den Polizeibericht. Also, in einem deutschen Fürstentum (in welchem, sage ich nicht, denn es ist eine heikle Sache) wartete eine durchlauchte Sippe auf Familienzuwachs. Es wurde eine schwere Geburt. Zugegen war der angesehene Leibarzt Doktor Vogel. Endlich erfüllte ein Quäken das Schlafzimmer. Als die Großherzogin, die vor Schmerzen minutenlang das Bewußtsein verloren hatte, die Augen aufschlug und mit schwacher Stimme bat: ›Ach, Herr Professor, zeigen Sie mir mein Kind‹, reichte Doktor Vogel Ihrer Hoheit mit überaus verlegener Miene einen zauberhaften Schreihals von hellkaffeebrauner Farbe. Die Großherzogin verlor wieder das Bewußtsein. Der Doktor sah zur Tür hinaus und winkte mit dem Finger den Großherzog herbei, eine flagrante Verletzung der Hofetikette.«
Dem Kommissar war anzusehen, daß es ihm ein besonderes Vergnügen bereitete, den prüden »Hannover« diese Geschichte zu erzählen. In dem Polizeibericht dürften kaum solche Einzelheiten gestanden haben – Coche phantasierte also. Er lispelte, wenn er die Großherzogin zitierte, und wählte absichtlich hochtrabende Wörter, damit es komischer wirkte. Clarissa sah sich nicht als Aristokratin, aber sie verzog das Gesicht, denn den Hohn gegen adlige Persönlichkeiten empfand sie als schlechten Ton. Auch Milford-Stokes, Baronet und Sproß eines alten Geschlechts, runzelte die Stirn. Doch diese Reaktion schien den Kommissar noch mehr zu beflügeln.
»Seine Hoheit nahmen es dem Leibarzt nicht übel, denn es war ein erhebender Moment. Von seinen Gefühlen als Vater und Gatte überwältigt, stürmte der Großherzog ins Schlafzimmer … Die nun folgende Szene können Sie sich selber ausmalen: ein soldatenmäßig fluchender Landesherr, eine Großherzogin, die bald schluchzte, bald Rechtfertigungen stammelte, bald in Ohnmacht fiel, ein lauthals brüllendes Negerbaby und der in wohligem Entsetzen erstarrte Leibmedikus. Zu guter Letzt faßten sich Seine Hoheit und beschlossen, über das Schicksal der erlauchten Gattin später zu befinden. Einstweilen galt es, die Spuren zu verwischen. Bloß wie? Den Säugling heimlich in den Abtritt werfen?« Coche hielt schelmisch die Hand vor den Mund. »Bitte um Vergebung, meine Damen, das ist mir so herausgerutscht. Sich des Säuglings zu entledigen war unmöglich – das ganze Herzogtum wartete auf die Geburt. Es wäre ja auch eine Sünde
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