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Mord auf der Leviathan

Mord auf der Leviathan

Titel: Mord auf der Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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ihm nicht in den Hals.
    Der Kommissar blickte Doktor Truffo an, dem offenbar auch nicht wohl in seiner Haut war: Über das brünette Gesicht des Arztes lief der Schweiß in Strömen, und seine englische Furie zischte ihm unentwegt ins Ohr.
    »Was schauen Sie mich so an, Monsieur!« explodierte er, als er den Blick des Polizisten auffing. »Immerfort starren Sie mich an! Das ist empörend! Mit welchem Recht? Seit fünfzehn Jahren arbeite ich nach bestem Wissen und Gewissen …« Er schluchzte beinahe. »Ja, mit einem Skalpell, na und? Das kann sonst wer gewesen sein!«
    »Wirklich mit einem Skalpell?« fragte Mademoiselle Stomp ängstlich.
    Zum erstenmal in der ganzen Zeit wurde im Salon über das Geschehene gesprochen.
    »Ja, einen so sauberen Schnitt macht nur ein sehr gutes Skalpell«, antwortete Truffo ärgerlich. »Ich habe die Leiche untersucht. Offensichtlich hat jemand Sweetchild von hinten gepackt, ihm mit einer Hand den Mund zugehalten und mit der anderen die Kehle durchgeschnitten. Im Korridor ist die Wand mit Blut vollgespritzt – etwas über Mannshöhe. Weil der Kopf nach hinten gerissen wurde.«
    »Dafür bedarf es doch keiner besonderen Körperkraft?« fragte der Russe, der sich hier auch als Kriminalist aufspielte. »Genügt nicht das Ü-überraschungsmoment?«
    Der Doktor zuckte verzagt die Achseln.
    »Ich weiß nicht, Monsieur. Ich habe es noch nicht versucht.«
    Aha! Die Tür ging auf, und es zeigte sich die knochige Physiognomie des Inspektors. Er winkte Coche mit dem Finger, und der rappelte sich ächzend aus dem Sessel hoch.
    Im Korridor erwartete den Kommissar eine angenehme Überraschung. Ach, wie gut sich das alles fügte! Wirkungsvoll, schön. Am besten gleich ins Schwurgericht – solche Beweisstücke vermochte kein Advokat zu entkräften. Ja, der alte Gustave Coche konnte noch jedem jungen Bengel hundert Punkte vorgeben. Auch Jackson war tüchtig, er hatte sich bemüht.
    Zu viert kehrten sie in den Salon zurück: der Kapitän, Regnier, Jackson und als letzter Coche. Er fühlte sich so wohl, daß er sogar ein Liedchen trällerte. Und die Leber gab Ruhe.
    »Das wär’s, meine Damen und Herren«, erklärte er aufgeräumt und trat in die Mitte des Salons. Er hielt die Hände auf dem Rücken und wippte leicht auf den Absätzen. Es war schon angenehm, sich als bedeutende Person zu fühlen, gewissermaßen sogar als Schicksalslenker. Der Weg war lang und steinig gewesen, aber nun war er bewältigt. Was blieb, war der Erfolg.
    »Der alte Coche hat sich den grauen Kopf zerbrechen müssen, doch wie einer die Spur auch verwischt, ein alter Spürhund wittert die Fuchshöhle. Mit der Ermordung Professor Sweetchilds hat der Verbrecher sich endgültig verraten, es war ein Schritt der Verzweiflung. Aber ich denke, der Mörder wird mir beim Verhör von dem indischen Tuch erzählen und manches andere noch. Im übrigen möchte ich dem Herrn russischen Diplomaten danken, der mir, ohne es zu wissen, mit einigen Fragen und Bemerkungen geholfen hat, den richtigen Weg zu finden.«
    In diesem Moment des Triumphs konnte Coche sich Großmut erlauben. Er nickte Fandorin herablassend zu. Der neigte schweigend den Kopf. Sie waren ja doch widerlich, die Aristokraten mit ihrem hoffärtigen Getue, ein menschliches Wort bekam man von ihnen nicht zu hören.
    »Ich fahre nicht weiter mit Ihnen. Wie man so sagt – danke für die Gesellschaft. Auch der Mörder geht an Land, den ich gleich hier auf dem Schiff Inspektor Jackson übergeben werde.«
    Alle blickten hellwach den finsteren mageren Herrn an, der beide Hände in den Taschen hielt.
    »Ich freue mich, daß dieser Alptraum vorüber ist«, sagte Kapitän Cliff. »Ich weiß, Sie hatten eine Menge Unannehmlichkeiten, aber das liegt nun hinter uns. Wenn Sie es möchten, wird der Chefsteward Sie auf andere Salons verteilen. Ich hoffe, die weitere Fahrt mit unserer ›Leviathan‹ wird Ihnen helfen, die Geschichte zu vergessen.«
    »Wohl kaum«, antwortete Madame Kleber für alle. »Wir haben hier so viel Nervenkraft gelassen! Aber spannen Sie uns nicht auf die Folter, Monsieur Kommissar, und sagen Sie rasch, wer der Mörder ist.«
    Der Kapitän wollte noch etwas sagen, doch Coche hob abwehrend die Hand – seine Rede sollte ein Solo sein, das hatte er sich verdient.
    »Ich gestehe, anfangs waren Sie mir alle verdächtig. Das Aussieben war langwierig. Jetzt kann ich Ihnen das Wichtigste mitteilen: Bei der Leiche von Lord Littleby fanden wir ein goldenes Abzeichen der

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