Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
Andreas zu verstehen. Schwester Jadwiga wollte den jungen Mann ins Verhör nehmen, doch sie hatte nichts weiter gesagt, also würde es Althea auch nicht tun.
Martin Bacher sah aus, als wollte er so schnell wie möglich raus aus dieser Küche. Die Äußerungen seines Sohnes verursachten ihm sichtlich Unbehagen. »Also …«, begann er, um die Eiche wieder in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen, und präzisierte, was unternommen werden müsste. Einiges davon könnten sie schon heute und morgen machen.
»Um uns muss sich niemand kümmern, ich weiß, es ist das erste Adventswochenende, und alle haben genug zu tun.«
Da konnte ihm Althea nicht widersprechen.
»Wird schon werden«, sagte er abschließend und meinte sicher den Baum.
Sie hoffte das auch, und nicht nur für die Eiche.
Althea begleitete die Gärtner nach draußen. Der Himmel zeigte gerade ein paar helle Lücken, aber drum herum herrschte Düsternis. In Andreas’ Innerem sah es sicherlich nicht viel besser aus. Wieder schien sein Blick in sämtliche Ecken zu spähen.
Und plötzlich verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. Nur dass es weniger wie eines aussah, dieses Lächeln war schmerzhaft. Doch Althea meinte ehrliche Freude in seiner Miene zu entdecken.
Gerade kamen die Novizinnen zusammen mit der Priorin durch das Tor. Heute hatte offenbar ein kleiner Rundgang auf dem Programm gestanden, sich anschauen, was auf dem Christkindlmarkt angeboten wurde und was man sich für die Weihnachtstage Besonderes ausgedacht hatte.
Leonie riss erstaunt die Augen auf, und auch Schwester Jadwigas Falkenaugen hatten denjenigen aufgespürt, von dem sie annahm, er hätte sich auf Leonies Spur geheftet.
Die Reaktion des Mädchens war die absolut falsche, denn sie lief auf ihren Freund zu, nahm sein Gesicht in die Hände und flüsterte: »Was machst du denn?«
Und Andreas hielt ihre Hände fest. »Ist nicht wild, fühlt sich nur so an.«
Dann schien Leonie bewusst zu werden, was sie ihm seiner Vermutung nach damit zu verstehen gab, und sie entriss ihm ihre Hände.
»Andreas … nicht«, bat sie.
»Warum nicht?« Es klang beinahe verzweifelt.
»Ihr habt zehn Minuten, und dann möchte ich auch noch ein paar Worte mit dir reden, Andreas Bacher.« Jadwiga ließ weder ihm noch Leonie eine Wahl. Die Novizin senkte den Blick, als hätte sie gerade die schlechtestmögliche Zensur erhalten.
Althea verabschiedete sich eilig, sie musste die Marzipanbowle abfüllen. Punkt zwölf Uhr mittags sollte sie am Stand sein und etwas anbieten können.
Die Körbe mit den zugedeckten Plätzchen standen in der Küche, als wollten sie auf sich aufmerksam machen. Althea warf einen Blick hinein. Es gab Engelsaugen, Walnusstafeln, Zimtsterne, Vanillekipferl, Lebkuchenherzen, Makronen und Schwarz-Weiß-Gebäck. Sie nahm sich von jedem eines, ganz im Sinn einer Vorkosterin. Als sie gerade in das Engelsauge biss, ging die Küchentür auf, und Dr. Seidel streckte den Kopf herein.
»Schwester Althea, genau auf Sie wollte mein Auge fallen. – Darf ich?«, fragte er, und deutete auf die Plätzchen. Althea nickte kauend.
»Vielleicht schaue ich später noch vorbei – die Marzipanbowle muss ich unbedingt probieren –, aber zuerst sollte ich noch ein paar Unterlagen sichten. Die Abtei und ihre Reliquien. Die Auflistung ist unvollständig und durcheinander.«
»Nicht nur die Auflistung«, sagte Althea. Doch der Knochendieb zeigte nicht einmal die Spur eines schlechten Gewissens, dafür verschluckte er sich an seinem Engelsauge.
Die Fähren der Chiemsee-Schifffahrt brachten die dick vermummten Besucher von Prien oder von Gstadt aus auf die Insel. Schon hörte man Stimmen, und die erste Anlaufstelle war der Klosterwirt, um die Kälte wieder aus den Knochen zu vertreiben.
Althea bat Valentin, die Körbe mit den Süßigkeiten und ihre Bowle zum klösterlichen Stand zu bringen. »Es ist sauglatt, und Schwester Jadwiga wird mich den Stock spüren lassen, wenn den schönen Sachen etwas passiert.«
Valentin holte entsetzt Luft, und Althea bereute ihre Übertreibung auf der Stelle. »Natürlich nicht! Nur bekommen die Gäste dann nichts, und die Abtei ist bis auf die Knochen blamiert.«
Der Klosterwirt versicherte ihr, er werde schon für das Heil der Waren sorgen, und Althea bot ihm an: »Nimm dir von jedem etwas. Mein Tipp: Die Walnusstafeln schmecken am besten.«
Noch ein vormittägliches Gebet, weil Althea schon die Frühmesse geschwänzt hatte, und dann würde sie sich ähnlich
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