Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
nicht respektierte. Wie konnte er dann sagen, er liebe sie? Wer liebte, fügte dem anderen keinen Schmerz zu.
Leonie wischte sich über die Augen. Sie spürte die bittere Kälte nicht, ihre Kälte kam von innen.
Andreas kümmerte sich zusammen mit seinem Vater um die Klostereiche, sie wollte ihm nicht noch einmal begegnen. Und auch dem anderen nicht, der ihre Gutgläubigkeit und ihr Vertrauen so hinterhältig ausgenutzt hatte. War sie wirklich so dumm gewesen zu glauben, dass ausgerechnet sie die Auserwählte sein sollte?
Leonie hatte sich mehrmals weggeschlichen, einmal wäre sie dabei fast Schwester Althea in die Arme gelaufen. Susanne hatte gelacht und gemeint, so ernst wäre es ihr am Ende doch nicht mit dem Nonnewerden. Darauf hatte Leonie nichts erwidert, weil er ihr eingeschärft hatte, sie dürfe es niemandem sagen. Sie hatte es niemandem gesagt und Susanne lieber glauben lassen, sie treffe sich mit ihrem Liebsten.
Die Auserwählte. Leonie lachte und weinte gleichzeitig. Hätte sie nicht zufällig das Telefongespräch belauscht, sie würde es noch immer glauben.
Eine der Novizinnen wird es tun. Die Jungfrau. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen. Es ist zum Wohle der Abtei. Denkt sie. – Die Kopie ist fertig, mit einem kleinen wichtigen Unterschied zum Original. – Sicher, es wird alles termingerecht über die Bühne gehen.
Er hatte ihr den Rücken zugedreht und sie nicht kommen hören. Der kleine Steg des Klosters, an dem keine Fähren anlegten, war abgeschirmt, erst einmal sah man nicht, wer dort stand. Sie musste ihn nicht sehen, sie erkannte seine Stimme, und bei dieser Gelegenheit klang sie selbstzufrieden, siegesgewiss und kühl.
Leonie war zurückgezuckt, als hätte er sie geschlagen. Sein Lachen hatte ihr immer Wärme vermittelt – nun hörte sie es plötzlich anders. Er war die Schlange.
Es war keine gute Tat, er stiftete sie zu einem Verbrechen an. Einem Diebstahl.
Sie hatte ihn nicht auf sich aufmerksam gemacht, sondern war den Weg zurückgerannt, als wäre der Teufel hinter ihr her.
Nichts war, wie es schien, und alle Wahrheit wurde von der Lüge gefressen. Da hatte sie gedacht, sie wäre diejenige, die Frauenwörth etwas zurückgeben könnte – mit dem Segen der seligen Irmengard. Der schöne Traum war zerplatzt, und auch der, dass sie die ewigen Gelübde ablegen durfte.
Wahrscheinlich musste Leonie das Kloster verlassen. Ihr blieb nichts mehr, und was sollte sie ihrer Familie sagen, die so stolz auf sie war?
Neben ihr lachte Susanne, und einen Moment lang verschwand ihre Hand in der des Mannes. Leonie beneidete sie um die Fröhlichkeit und darum, dass sie nichts fürchten musste.
Leonie wusste, sie sollte aufhören zu weinen, es half nichts, brachte nichts. Sie war kein Opfer, und sie war nicht wehrlos. Sie würde heute Abend bei Priorin Jadwiga vorsprechen. Es erforderte Mut, aber was war eine Entscheidung wert, wenn man Angst vor den Folgen hatte?
Ich werde dir zeigen, wozu die Jungfrau fähig ist, dachte Leonie und hätte ihm diesen Gedanken gern mitgeteilt. Du wirst an mich denken.
Vielleicht begegneten sie sich ja noch. Entweder auf der Wanderung oder auf dem Christkindlmarkt.
Du wirst an mich denken, wiederholte sie für sich, und ein leises Lächeln huschte für einen winzigen Augenblick über ihre Züge.
* * *
Altheas erste Tat war, die beengende Strumpfhose wieder abzustreifen. Ein Tag auf dem Christkindlmarkt war geschafft. Vielleicht würde sie das gemeinsame Abendessen schwänzen, denn ihr Mitbewohner hatte auf die Plätzchen verzichtet, und morgen waren sie trocken. Und so etwas nannte sich Verschwendung.
»Ich hab mein Marzipanbowle-Rezept verkauft«, erzählte sie mit einem kleinen Lachen. »Na ja, eingetauscht. Was meinst du, ist der Georg mit seinem Drachen eine Fälschung?«
Althea erzählte es ihrem stillen Mitbewohner, aber sie musste auch noch Jadwiga vorwarnen. Nicht, dass der Historiker anklopfte und die Priorin keinen Schimmer hatte, wovon er sprach. Den Tausch sollte Karl Lichtenfels vielleicht nicht unbedingt erwähnen, oder Althea sollte es vor ihm tun.
Sie zündete Zetas Kerze an, setzte sich aufs Bett und nahm sich die Walnusstafel vom Teller.
Draußen auf dem Gang wurde es laut, und es klang, als würden sich viele Füße beeilen. Dann ging auch schon die Tür zu Altheas Klosterzelle auf.
Jadwiga. Althea fragte sich, was es jetzt wieder gab, wofür man sie verantwortlich machte. Was auch immer, das Gesicht der Priorin zeigte
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