Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
sich bei ihm ähnlich verhielt mit dem inneren Drang – Knochen waren nichts Lebendiges, von ihnen ging nichts aus, was versprach er sich also davon? Beinahe hatte sie ihn sympathisch gefunden.
Lichtenfels wollte sich dazu nicht äußern, oder er hatte keine Meinung, und Susanne zog ihren Schal über den Mund. Was auch immer das bedeutete.
»Wir gehen erst einmal von überhaupt nichts aus«, meinte Althea. Sie führte die Gruppe an. Man konnte sich umschauen, aber nicht viel mehr. Womöglich verfügte Susanne über ein paar Informationen, aber vor den anderen würde sie sicher nichts verraten. Althea musste sie allein erwischen.
Gerade überlegte sie noch, da schrie Schwester Dalmetia Zeter und Mordio. Ihre Arme deuteten auf die Gestalt, die, mit dem Gesicht nach unten und nur mit ihrer Unterwäsche bekleidet, zur Hälfte am Ufer, zur anderen im See lag. Das blonde Haar schwamm auf dem Wasser, ihre Hände und Füße waren gefesselt. Althea hörte irgendwo hinter sich ein Würgen.
Lieber Gott, nein! Das war grausam.
»Schwester, bitte!« Althea drehte Dalmetia herum und fasste sie bei den Schultern. Die Schwester wankte wie ein Schiff im Sturm, dann verdrehte sie die Augen und kippte nach hinten. Althea erwischte zwar noch ihren Fotoapparat, doch Dalmetia fiel ins Wasser.
»Die Schwester übernehme ich«, bot Dieter Hardy an und stiefelte unerschrocken in den See, wofür Althea dankbar war.
Althea würde nun das Gleiche tun, um sich zu vergewissern, dass Leonie tot war. Sie hängte sich Dalmetias Fotoapparat an seinem Band um den Hals und schob ihn unter den Mantel. Dann stapfte sie mit ihren Chiemsee-Stiefeln in den Chiemsee.
Sie zog die Handschuhe aus und drehte Leonie ein wenig zur Seite. Die Augen in dem blassen Gesicht waren schreckgeweitet. Hinter ihr schrie Susanne auf.
Althea tastete nach einem Rest Leben in dem Körper, doch es gab keinen Puls und keinen Herzschlag, nur eisige Kälte. Sie bekreuzigte sich und ging an Land, ihre Füße in den Schuhen schmatzten bei jedem Schritt.
Der Archivar hatte sich nicht vom Fleck bewegt, und Susanne war starr vor Schreck, den Blick auf die tote Leonie Haberl geheftet.
»Ich verständige die Priorin.« Karl Lichtenfels wartete eine Erwiderung nicht ab und wandte sich um.
Althea bedeutete dem Archivar, dass es gut wäre, wenn er mit der Novizin zurück ins Kloster ginge. »In der Küche ist es warm«, sagte sie zu ihm. »Es wäre nett, wenn Sie für alle Tee aufsetzen könnten.« Althea rechnete ihrerseits nicht mit einer Erwiderung. Den Tee würde er hoffentlich finden.
Hardy hatte die prustende und tropfnasse Dalmetia aus dem See gefischt und verkündete, sie würden sich anschließen. »Wärme klingt verführerisch.«
»Danke«, sagte Althea.
Er wandte den Kopf. »Das ist sie, oder? Wir haben Ihre Leonie gefunden.«
Althea nickte, und Hardy führte die zitternde Dalmetia weg.
Nun würde sie einige Minuten allein sein, und unter dem Mantel hielt sie Dalmetias Kamera. Althea wusste, sie sollte die Tote eigentlich nicht bewegen, aber wenn Spuren zerstört worden waren, dann war das längst schon geschehen.
Sie würde nicht überlegen, wer Leonie das angetan hatte, und nur für sich notieren, wo ihr der Bast, der um ihre Handgelenke und um ihre schmalen Fesseln gebunden war, schon einmal aufgefallen war. Sie hatte ihn in der Kiste bei Martin Bachers Werkzeugen gesehen.
Das dünne Hemdchen, die Fesselung, die auf dem Rücken zusammengebundenen Arme, die ausgestreckten, auf Höhe der Knöchel zusammengefassten Beine, der linke Fuß über dem rechten, das blonde Haar, wie ein Fächer auf der Wasseroberfläche ausgebreitet und leicht angefroren, und die offenen Augen und der Mund.
Althea zoomte die Details heran, drückte immer wieder den Auslöser und hoffte, diese Bilder zeigten am Ende auch das Gewünschte.
Jemand hatte Leonie bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Wo war ihre restliche Kleidung?
Und noch etwas fehlte, dachte Althea. Das kleine goldene Kreuz, das Leonie an einer Kette um den Hals getragen hatte.
Sie würde es nicht finden, und die Tatwaffe auch nicht. Das Wasser hatte es nicht geschafft, das Blut wegzuwaschen. In den Haarsträhnen auf Leonies Oberkopf hatte es sich verfangen und war gefroren. Vorsichtig zog sie die Strähnen auseinander. Die Kerbe, die das Fleisch aufgerissen hatte, war länglich, schmal und scharfkantig. Ein Werkzeug?
Wofür auch immer es sonst verwendet wurde, diesmal hatte es seine Spur am Kopf eines Menschen
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