Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
Seidel wollte sie jetzt nicht ins Spiel bringen, denn Jadwiga schien nicht sonderlich angetan von dem Mann. Morgen war Althea mit ihm im Archiv, da könnte sie vielleicht ein paar Dinge in Erfahrung bringen.
»Irmengards Ring ist im Reliquienschrein. Das wusstest du. Eigens gesichert ist der Schrein nicht. Wir, das Kloster, dürfen den Ring aber nicht ohne guten Grund fortnehmen, Schwester Althea, das muss dir doch klar sein. Und ein Verdacht – gegen wen, eine Tote? – ist kein ausreichender Grund.« Jadwiga klang müde.
Nicht gewusst, aber gedacht. Doch bis heute Morgen hatte Althea keine Ahnung gehabt, wessen Ring Leonie überhaupt gezeichnet hatte. Und klar war ihr überhaupt nichts.
»Und wenn es niemand bemerken würde?«, fragte Althea und machte der Priorin einen Vorschlag, wie sie es unbemerkt anstellen könnten. Ein kleiner Frevel.
Worauf ihr Jadwiga vorschlug, sich besser noch etwas hinzulegen, da ihr Kopf scheinbar doch mehr gelitten habe als angenommen.
Durchnässt und frierend tauchte Stefan wieder auf. Die Wettervorhersage von Valentin Zeiser stimmte mit bösartiger Verlässlichkeit, wohingegen im Radio noch von zeitweiligen Auflockerungen die Rede gewesen war.
Man sah nicht einmal die Silhouette der 1668 Meter hohen Kampenwand, des hiesigen Hausbergs. Die sonst so imposanten schneebedeckten Chiemgauer Alpen waren in den Wolken versunken. Der Himmel hatte aufgerüstet.
Draußen tobte ein wütender Schneesturm, die Priorin würde ihn sicher als Strafe betrachten. Was er auch war, wenn man auf den Christkindlmarkt wollte.
»Wer sich jetzt da hinauswagt, ist selber schuld«, sagte Stefan, und kurz darauf sah ihn Althea im Badezimmer verschwinden.
Sie wollte wissen, ob er etwas herausgefunden hatte. Außerdem musste sie ihren Neffen irgendwie auf einen kleinen Diebstahl einstimmen. Nur sollte sie ein anderes Wort dafür finden.
»Nein!«, lautete die Antwort wenig später.
Althea hatte in der Küche extra Kaffee gekocht, den sie jetzt auf zwei Tassen verteilte. Ein großer Teller Plätzchen stand in der Mitte des kleinen Tisches und duftete köstlich.
Althea erfuhr, wonach sie gar nicht gefragt hatte. Das kam davon, wenn man mit der Tür ins Haus fiel.
Zusammen mit Frau Professor hatte Stefan die Tote vom Schiff gebracht. Der Leichenwagen war eigens aus München gekommen und fuhr bis an den Anleger. Sie hatten Leonie in den Holzsarg gehoben, was einiges Aufsehen erregte. Dem Tod wollte am ersten Advent niemand begegnen.
Danach hatte er vorgehabt, nach Chieming zu fahren, um mit Heidelinde Bacher zu reden und mit ihrem Mann, den er bislang noch nicht gesprochen hatte. Aber dann kam im Radio die Unwetterwarnung, sodass er schnellstmöglich den Rückweg antrat.
»Keine Chance, hieß es, bei einem solchen Wetter über den See zu fahren.« Er machte eine Kunstpause. »Und keine Chance, eine Heilige zu bestehlen.«
»Sie wurde nur seliggesprochen«, sagte Althea. Diebstahl hatte sie nicht in den Mund genommen.
»Wie auch immer. Knochen sind Knochen, auch wenn man sie verkleidet hat. Ich rühr sie nicht an.«
Althea sagte ihm, sie würde den Ring abziehen, er bräuchte nur Schmiere zu stehen. Sie müsse sich auch erst um einen Ersatz bemühen, damit es nicht auffiel. Eigentlich hatte sie den Ring der Priorin im Sinn.
»Ganz falsch. Du bittest einen Kriminalkommissar, dich bei einer Straftat zu unterstützen. Ich hab die Sache mit dem Verbündeten wohl komplett falsch verstanden.«
Keine Straftat. Sie würde den Ring nur in Verwahrung nehmen. »Was, wenn der Mörder nicht Andreas Bacher heißt? Wenn es noch jemanden gibt, und derjenige hat nicht nur Leonie getötet, sondern auch mich niedergeschlagen? Leonie hätte den Ring nicht einfach so genommen. Also musst du herausfinden, warum und wem zuliebe sie eine solche Tat auf sich genommen hätte. Ich dachte zunächst an ihren Vater. Nur – Leonies Vater hat mit dem Kloster nichts zu tun, und es muss jemand sein, der auf der Insel ist. Wenn du dieses Warum ermittelt hast, dann sind wir ein ganzes Stück weiter.«
»Andreas Bacher hat das stärkste Motiv. Auch wenn die Abrücke nicht übereinstimmen – ich kann ihn nicht von der Angel lassen. Wir müssen ihn finden, und mit wir meine ich die Polizei. Du hast doch mit dem Klosterwirt gesprochen … wolltest du jedenfalls.«
»Womit Andreas immer tiefer in die Sache hineingerät«, musste Althea zugeben, und sie erzählte ihm, was sie von Valentin Zeiser erfahren hatte. »Valentin nannte es
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