Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
dafür gegeben. Vielleicht gab es noch mehr zu sehen, wenn sie sich in Gedanken ein wenig mit der schönen Nonne beschäftigte.
»Gefahr, mein Freund – ich spüre sie bis in die Knochen«, sagte sie.
Renard hob den Kopf, als hätte er sie verstanden. Um seine Knochen hatte sich Kath vor nicht allzu langer Zeit gekümmert, als der Fuchs halb tot auf der Straße gelegen hatte. Er drehte sich einmal im Kreis, bis er eine geeignete Stellung gefunden hatte, und drapierte sorgsam seinen buschigen Schwanz neben sich.
* * *
Der lange Tisch im Refektorium war für alle gedeckt, auch die Gäste des Klosters nahmen daran Platz.
Beim Frühstück wurden die Nasen entsprechend gerümpft, weil sich in den Rumkugeln Rum befand. Was denn sonst, Tee vielleicht?
Althea hatte jede Einzelne schön verpackt, in verschiedenfarbiges Seidenpapier, und wie große Bonbons an den Enden zusammengebunden. »Einen gesegneten ersten Advent«, wünschte sie den Schwestern.
Dalmetia ließ kein gutes Haar am Inhalt des unkonventionellen Adventskalenders, der ja nur ein gestrickter Socken war. Außerdem erkenne man genau, dass sich die Strickerin nicht gerade viel Mühe damit gemacht habe.
»Wer nicht die hohen Berge besteigt, kennt die Ebene nicht.« Althea fand, es passte, denn sie war eine, der Handarbeiten schwerfielen. Sie gab sich Mühe, also war der Socken für sie der Berg.
Sie erntete Gelächter, aber auch anerkennende Kommentare von einigen Mitschwestern. Noch drei Adventssonntage, drei Socken, dreimal die Überlegung, was dort hineinsollte. Und noch dreimal Lachen und Lob. Die vorweihnachtliche Stimmung war gefühlt mit Leonie gestorben.
Althea würde zusehen, diesen ersten Advent möglichst schnell hinter sich zu bringen. Sicher würde man ihr und ihrem Kopf nicht allzu viel zumuten, es musste auch möglich sein herauszufinden, wo sich Irmengards Ring befand. Althea fiel nur ein Grund ein, warum Leonie ihn gezeichnet hatte, doch keiner, der das Mädchen dazu gebracht hätte, ihn zu nehmen.
»Der Ring der Seligen?«, fragte Jadwiga. »Schwester Althea, du scheinst nicht gut informiert, was unsere Klostergeschichte betrifft.«
Herrje, jetzt doch nicht. Althea stand im Büro der Priorin, weil sie hoffte, dass Jadwiga, die laut ihrer Information gleich zum Christkindlmarkt aufbrechen würde, es entsprechend eilig hatte.
Sie wollte ihre Vermutung noch eine Weile für sich behalten. Zumindest, bis sie mit Stefan darüber gesprochen hatte. Vielleicht war sie ja komplett auf dem Holzweg.
»Das bin ich offensichtlich nicht«, sagte Althea, und weil es ihr mit dem dauernden Tadel reichte, fügte sie hinzu: »Wenn der Ring noch dort ist – prima.«
Jadwiga machte ein seltsames Geräusch, und ihre Augen wurden riesig. Vielleicht hatte Althea es ein wenig übertrieben.
»Schwester Althea, bin ich es, die nicht gut informiert ist?«
Der Bumerang kam zurück.
»Information würde Wissen voraussetzen, wovon ich leider wenig zu bieten habe. Darum nur die schlichte Frage, wo sich der Ring befindet. Vielleicht sollte man ihn umbetten«, lautete Altheas Vorschlag. Man hatte ihn bestimmt über einen verkleideten Finger der seligen Irmengard gezogen.
»Umbetten? Gerade jetzt, wo alles über uns hereinbricht – Tod, Morde, Teufel, drohendes Unheil – und das vor Weihnachten.« Die Priorin hatte auch denjenigen in ihre kleine Aufzählung miteinbezogen, von dem sie sonst nichts zu hören wünschte. Althea sagte nichts, das würde Jadwiga gleich tun.
Die sank auf ihrem Stuhl hinter dem Schreibtisch ein wenig in sich zusammen. »Ist das so gemeint, wie ich denke? So eine Tat wäre sündhaft. Wer würde das wagen?«
Die Sünde, einer Seligen den Ring zu stehlen? Die Motive dafür wären zahlreich. Eine starke Fixierung oder die schlichte Gier.
»Vielleicht niemand, aber Leonie Haberl hat diesen Ring gezeichnet. Passenderweise besitzt ihr Vater einige Andenken- und Antiquitätenläden. Und er handelt mit Bruchstücken vom antiken Sargdeckel der Seligen.« Es hatte sich irgendwie in ihren Gedanken festgesetzt, seit Stefan ihr davon erzählt hatte.
Und darum könnte der Vater es auch auf ihren Ring abgesehen haben. Das wäre denkbar gewesen, wenn Leonie nicht ermordet worden wäre, doch womöglich galt das ja immer noch. Nur anders.
»Natürlich kann sich dahinter etwas völlig Harmloses verbergen, aber …« Althea sprach das Unschöne nicht aus, ihre Verdächtige war tot. Doch vor ihrem inneren Auge tauchte der Knochendieb auf. Dr.
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