Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
gehabt, Patrick Haberl das Eingesperrtsein kosten zu lassen.
Er rief die Kollegen an, die er zuvor nicht um Unterstützung gebeten hatte. Jetzt brauchte er sie. Er sagte ihnen, wer alles für Andreas Bachers Zustand verantwortlich war. »Nehmt sie mit und haltet sie fest, solange es geht.« Ein wenig Spielraum blieb ihm, und um die Zeugenprotokolle würde er sich selbst kümmern.
Petra Haberl hatte sich frisch gemacht und etwas anderes angezogen. Sie trug einen Rollkragenpulli, weil der grobe Strick die Haut an ihrem Hals aufgeschürft hatte. »Ich bin in Ordnung«, sagte sie. »Es wird nie vergehen, das Verlustgefühl und die Leere, aber wenn ich das wirklich gewollt hätte, dann würden wir jetzt nirgendwohin fahren. Hätte ich nur ein Wort gesagt, dann wäre es nicht so weit gekommen, und Patrick hätte niemanden angestachelt. Vielleicht musste ich einen kleinen Hauch vom Tod kosten, um zu fühlen, was Andreas grade durchmacht.«
Diese letzte Äußerung kommentierte er nicht, sonst würde er sie am Ende noch anschreien und schütteln. Stefan hatte nicht vergessen, was sie da oben gesagt hatte. »Sie nannten Andreas Bacher einen Sündenbock. Sie glauben nicht, dass er Leonie das angetan hat?«
»Er war an dem Abend hier und wusste nicht, dass Leonie da bereits nicht mehr am Leben gewesen sein kann. Patrick war unterwegs, und wir saßen zusammen und redeten. Durch seine Adern müsste schon eisiges Blut fließen, dass er mir so etwas vorspielen könnte. Er hat sich entschuldigt und mir Leonies Kette mit dem kleinen Kreuz gegeben. ›Ich habe es ihr abgerissen‹, sagte er, ›das wird sie mir nie verzeihen.‹ Er hatte einen Ring gekauft und ihr einen Antrag gemacht. Alles hätte er getan, um sie von seiner Liebe zu überzeugen. ›Ich habe sie an das Kreuz verloren und war so enttäuscht.‹ Und er gab mir einen Brief für Leonie, er dachte, sie würde nicht mehr mit ihm reden wollen. Ich hätte meinem Mann davon erzählen müssen, ich hätte es Heidelinde sagen müssen und Martin. Ich habe es nicht getan.«
Eisiges Blut. Andreas’ eigene Mutter konnte sich vorstellen, dass ihr Sohn schuldig war, während die Mutter des Opfers voller Überzeugung an seine Unschuld glaubte.
Stefan musste Petra Haberl nicht erst um den Brief bitten, sie nahm das Kuvert aus der Handtasche.
Heute war es ein freiwilliges Geben, und er brauchte nicht einmal unangenehm zu werden.
»Setzen Sie meinen Namen auf die Liste – ich mache eine Aussage.«
»Gut, aber sagen Sie nicht, in welcher Situation ich Sie vorgefunden habe. Ich werde es auch nicht tun. Und versuchen Sie nicht wieder einen kleinen Hauch vom Tod zu kosten!«
9
Sola
In dem wegen seiner Fossilien-Funde berühmten Ort Solnhofen im bayerischen Altmühltal findet man noch einige Überreste einer 819 errichteten Kirche, der 1782 zerstörten Sola-Basilika. Sola war ein angelsächsischer Mönch, der 750 seine Heimat verlassen hatte und Bonifatius folgte, der zu jener Zeit in Germanien missionierte. Karl der Große schenkte dem Mönch ein Stück Land im Altmühltal, wo Sola dann seine Zelle errichtete. Zuvor hatte ihn Bonifatius in Fulda zum Priester geweiht.
3. Dezember
Die Tür war unverschlossen, aber Stefan war noch immer nicht zurück. Kurz wanderte ihr Blick zur Madonna, in deren Sockel der Ring der Seligen und die kleine Pergamentrolle versteckt waren. Sie würde nicht nachsehen.
Man erschrak aus schlechtem Gewissen, doch sie erschrak, weil sie an Geheimnisse dachte. Hinter ihr stand plötzlich die Priorin, aber Althea war so in ihre Überlegungen vertieft gewesen, dass sie nichts gemerkt hatte.
»Schwester Althea, ich habe gestern Dalmetia zu dir geschickt, um auszurichten, dass dein Neffe noch in Chieming zu tun hat. Der Kriminalkommissar sprach auch von Festnahmen. Er wisse noch nicht genau, wann er zurück sein könnte.« Jadwiga nahm ihre Hand wieder von Altheas Schulter.
»Dann hat die Schwester es sicher ganz unabsichtlich vergessen«, sagte Althea, und ihre Stimme besagte das genaue Gegenteil. Der Drache, dessen Kamera verloren gegangen war, vergalt es ihr auf kleinliche Art. Sie hätte womöglich nicht den Chiemsee verantwortlich machen sollen, sondern wahrheitsgemäß denjenigen, der sie niedergeschlagen hatte.
»Ein klärendes Gespräch wäre vielleicht gut«, schlug die Priorin vor. »Du musst zugeben, dass du dich der Schwester gegenüber ziemlich ruppig verhalten hast.«
»Ich war der festen Meinung, Drachen wären auch in Bayern
Weitere Kostenlose Bücher