Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
völlig perplex an. Sie hatte gerade Apfelsaft für eine ganze Kompanie abgemessen.
»Es ist nur zum Probieren«, erinnerte Althea sie und deutete lachend auf den großen Messbecher. »Sex, Liebe, wie auch immer. Du bist mit jemandem zusammen, ihr trefft euch und schlaft miteinander.« Was war daran kompliziert oder schockierend? Nur passte es nicht, wenn man einen Schleier trug und sich offenbar entschlossen hatte, die Gelübde abzulegen.
»Ja«, gestand Susanne leise und erzählte Althea, was ihre Eltern sich nach dem Schwangerschaftsabbruch für sie ausgedacht hatten. »Das bin ich nicht. Ich bin gläubig, aber … Leonie war anders, sie war mit dem Herzen dabei. Ich weiß nicht, wie ich da wieder rauskommen soll«, bekannte sie unglücklich.
»Wir versuchen uns jetzt an dem Apfelkuchengetränk, und dann schmieden wir einen Rettungsplan.« Althea hoffte, sich nie dafür rechtfertigen zu müssen, aber Eltern hatten nicht das uneingeschränkte Recht, über das Leben ihres Kindes zu bestimmen.
Susanne sah gelöst aus, als wäre ihr eine schreckliche Last abgenommen worden. Altheas Plan würde zwar nicht das Kloster, aber einige Schwestern erschüttern, die sich voller Inbrunst an die Enthaltsamkeit klammerten. Und nicht zuletzt auch Dr. Seidel, falls er gedacht haben sollte, es mit einer Jungfrau zu tun zu haben.
»Der Archivar scheint ein gesteigertes Interesse an dir zu haben«, bemerkte Althea. Sie wollte wissen, was dahintersteckte.
»Ich habe mich mit dem Bücherwurm ein paarmal unterhalten – er hat mich ja auch zurückgebracht, als wir Leonie fanden. Ein bisschen komisch ist er schon, er steht auf Reinheit und auf Heilige, und da komme ich überhaupt nicht in Frage. Beim letzten Mal dachte ich schon, er würde mir etwas anvertrauen, aber dann hat er einen Rückzieher gemacht. Ist auch besser so, ich eigne mich nicht als Kummerkasten.«
Die Menschenkenntnis des Archivars war demnach nicht sonderlich ausgeprägt, dachte Althea.
Sie schaltete den Herd ein. Saft und Sahnetopfen wurden erhitzt, dann kamen die Rosinen und der Zimt dazu, und alles wurde noch einmal püriert.
Dr. Seidel war also kurz davor, sich zu offenbaren. Das war gefährlich. Leonie war tot, nur dass anscheinend niemand an Andreas Bachers Unschuld glauben wollte und somit auch niemand einen anderen Täter in Betracht zog.
Susanne unterbrach ihre Gedanken.
»Schwester Althea, du bist eine schöne Frau, wie kannst du nicht mit einem Mann zusammen sein wollen?«, formulierte sie vorsichtig.
»Meine Liebe starb vor langer Zeit bei einem Unfall.« Das war nur ein kleiner Teil der Wahrheit. »Aber ich brauche gar keine Ausrede und auch keine traurigen Erinnerungen, ich wollte tatsächlich irgendwann Nonne werden, mit dem Herzen und aus tiefster Seele.«
Susanne füllte das Apfelkuchengetränk in zwei Gläser, und Althea und sie setzten sich an den Tisch.
»Jetzt bin ich gespannt«, sagte Susanne. Und kurz darauf: »Das Zeug haut einen echt um – fantastisch!«
Dann brauchte sich Althea wenigstens darüber keine Gedanken mehr zu machen. Über etwas anderes aber wohl. Sie musste unbedingt so bald wie möglich ihren Neffen erwischen.
* * *
Der Kriminalkommissar wollte etwas für Petra Haberl tun und fragte, was das sein könnte. Sie sagte ihm, sie müsse nach Traunstein in die Klinik, zu Andreas Bacher.
Du hast gefragt, sagte sich Stefan.
Dass sie nicht sagen würde, sie möchte bitte ins Bezirkskrankenhaus Gabersee, in die Psychiatrische Abteilung, hatte er auch nicht angenommen, aber diese Frau hatte sich verschiedene Dinge besorgt und ihren Selbstmord auf dem Dachboden geplant. Er konnte sie nicht sich selbst überlassen.
Ob sie das allen Ernstes wolle, erkundigte er sich mehr als einmal, aber Petra Haberl sagte ihm, dass es das einzig Richtige sei. So richtig, wie eine Schlinge zu knüpfen und sie sich um den Hals zu legen.
Er spürte ihre Verzweiflung so deutlich, als gehörte ein Teil davon zu ihm.
Als Patrick Haberl seine Frau so dort sitzen sah, hastete er die Treppe wieder hinunter, und dann hörte man ein Würgen und die Toilettenspülung – der Schock oder nur der Alkohol?
»Nehmen Sie ein paar Sachen mit, ich fahre Sie. Und Sie sagen mir offen und ehrlich, was das sollte mit dem Strick um den Hals.«
So, er hatte A gesagt. Petra Haberl allein zu lassen, kam nicht in Frage, bei ihrem unberechenbaren Ehemann wollte er sie auch nicht zurücklassen. Man sperrte doch seine Frau nicht ein! Stefan hätte große Lust
Weitere Kostenlose Bücher