Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
ausgestorben. Gespräche nützen da nichts, die spucken Feuer.«
»Schwester Althea, wie kindisch!« Jadwigas lange Nase krauste sich. »Zu schade, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Äbtissinnen und deren Stellvertreterinnen Strafen aussprechen durften. Dann würde ich dich dazu verdonnern, zwanzig Vaterunser zu beten und dabei auf Holzscheiten zu knien.«
Althea wusste, was die Oberinnen früher durften und womöglich manches Mal auch getan hatten. Dagegen war die Holzscheitidee nur unangenehm, doch vergleichsweise harmlos.
»Worüber ich eigentlich mit dir reden wollte … und du wirst sagen, das ist Strafe genug: Ich brauche dich am nächsten Wochenende wieder am Plätzchen- und Getränkestand auf dem Christkindlmarkt. Mit einer ehemaligen Chefeinkäuferin machen wir wenigstens keine Verluste.«
Jetzt musste Althea lachen. Dann könnte sie wenigstens an ihrem dritten Socken stricken, obwohl es wirklich eine Strafe war, eisige Wintertage in einem Holzstand sitzend verbringen zu müssen.
Sie sprachen kurz über das neue Getränk »Apfelkuchen im Glas« für den Christkindlmarkt, und die Priorin leckte sich bei Altheas Beschreibung über die Lippen. Die Idee weckte offenbar Gelüste.
»Dann sind wir gespannt. Und etwas anderes dürfte auch in Kürze abgeschlossen sein. Dr. Seidel hat mir heute Morgen gesagt, er habe noch zwei Tage im Kloster und im Archiv eingeplant. Wir bekämen eine Aufstellung seiner Arbeiten. Was auch immer der Gute dann erledigt haben will, ich würde es womöglich nicht einmal erkennen«, meinte Jadwiga. Man merkte ihr deutlich an, dass sie erleichtert war, den Mann endlich wieder los zu sein.
»Zwei Tage?«, fragte Althea. Dann würde der Archivar den 13. Dezember nicht abwarten. Sie hatte ihn aufgescheucht.
Erkennen würde die Priorin die Erledigung des Archivars wahrscheinlich wirklich nicht, solange irgendein Ring an Irmengards Hand war. Nur dass Dr. Seidel von etwas anderem gesprochen hatte.
Althea würde sich in der Kapelle noch einmal umschauen, vielleicht auch im Archiv, und nebenbei Susanne ein wenig im Auge behalten. Ihr Verbündeter war momentan nicht greifbar, er jagte anderen Spuren hinterher.
Von ihrer Suche nach den Tagebüchern konnte sie Jadwiga nicht erzählen, sie brauchte ein wenig unbeobachtete Zeit, und als die Priorin erwähnte, sie müsse in einer dringenden Angelegenheit mit Pfarrer Müller sprechen, sah Althea ihre Chance. Sie hätte jetzt ein Stückchen von Karl Lichtenfels’ Glück gebraucht, den ein Zufallsauftrag auf die Spur der Geheimniswahrerin geführt hatte.
Dr. Seidel brütete, wie schon in den letzten Tagen, über einem Plan. Als sie über das Summen des kleinen Heizlüfters hinweg laut grüßte, bedeckte er das Pergament schnell mit einem anderen Schriftstück. Ein wenig zu schnell, wie Althea fand.
»Auch am Recherchieren?«, erkundigte er sich. »Was genau suchen Sie denn, vielleicht kann ich helfen?« Er klang betont freundlich.
Warum eigentlich nicht, dachte sie, wenn du schon so unbedingt verbergen willst, was du gefunden hast.
»In alten Familienchroniken sind doch meist Stammbäume aufgezeichnet. Wo aber fänden sich bestimmte Ereignisse und Besonderheiten? Man könnte auch Geheimnisse sagen.«
»Auf der Suche nach Geheimnissen …« Ein Lächeln spielte um seinen Mund. Er verwies Althea auf die Seiten, die für Eintragungen gedacht waren. In manchen Chroniken waren sie beschrieben, in anderen nicht. Vielleicht aus Angst oder Sorge, etwas zu offenbaren. Althea wollte aber nichts über eine schwere Geburt oder eine Krankheit wissen. Obwohl auch so etwas in mancher Familie lieber verborgen wurde.
»Ein Stammbaum mit seinen Verzweigungen ist oftmals schon für sich ein dunkles Geheimnis. Stellen Sie sich nur vor, es fänden sich darin zweifelhafte Personen, die man lieber verheimlichen würde.«
Dr. Seidel ließ seine Stimme betont düster klingen. Er würde Altheas Gesichtsausdruck jetzt sicher falsch interpretieren, aber sie hatte allen Grund zu lächeln.
Das musste es sein. Sie hatte sich gefragt, was Andreas Bacher glaubte, in der Hand zu haben, und womit er versucht hatte, Leonie zurückzubekommen. Hexerei. Wenn Dr. Seidel ihr auch sonst nichts verraten konnte oder würde, dann hatte er wenigstens ein kleines Rätsel gelöst.
Andreas Bacher hatte Leonie Haberls Vorvergangenheit aufgedeckt und war fündig geworden.
Ein Handy klingelte. »Entschuldigung«, sagte Seidel, fingerte das Gerät aus seiner
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