Mord auf Raten
eine Kleinigkeit zu essen. Er würde nicht mehr ins Präsidium fahren, nicht mehr mit Spitzer und Eberl sprechen, auch wenn er mittlerweile über brisante Informationen verfügte, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er kurz vor dem großen Durchbruch stand, das letzte Puzzlesteinchen bald einfügen konnte, jenes Steinchen, das Wedels Mörder zeigte. Heute würde er nur noch die unangenehmen Besuche erledigen, wie ein Todesbote die noch unangenehmeren Nachrichten überbringen, aber zum Glück hatte sich Andrea bereit erklärt, ihm zur Seite zu stehen. Sie würde bestimmt die richtigen Worte finden, wenn er nicht mehr weiterwusste. Sie war ein Engel, der ihm zur rechten Zeit begegnet war, als er sein Leben nur noch als Vater und Polizist sah. Mit ihr war mit einem Mal alles anders geworden, schöner, freundlicher, selbst Regentage machten ihm jetzt nichts mehr aus, auch wenn es in diesem Jahr fast nie geregnet hatte. Hoffentlich kam bald der große Regen, der die Flüsse wieder auffüllte und die ausgetrocknete Erde tränkte. Aber das war in diesem Augenblick seine geringste Sorge.
Freitag, 15.15 Uhr
Brandt beschloss, nachdem er einen Hamburger und Pommes frites gegessen hatte, einen Abstecher bei seinen Eltern zu machen. Er wurde von seiner Mutter mit den Worten empfangen: »Dass du dich auch mal wieder blicken lässt. Wo treibst du dich bloß die ganze Zeit rum?« Dabei machte sie ein gespielt vorwurfsvolles Gesicht, das sie immer aufsetzte, wenn er sich länger als zwei Tage nicht bei ihr sehen ließ, doch ihre Augen blitzten schelmisch auf. Für sie war er immer noch der kleine Junge, den sie am liebsten ständig unter ihren Fittichen gehabt hätte. Aber es war eine liebenswerte Fürsorge, mit der er gut umzugehen verstand. Und sie war die beste Großmutter, die er sich für seine Töchter wünschen konnte, denn ohne sie und seinen Vater hätte er es unmöglich geschafft, Arbeit und Erziehung unter einen Hut zu bringen.
Er nahm sie kurz in den Arm und sagte dann: »Mama, ich hab unheimlich viel zu tun und bin froh, wenn ich abends total geschafft ins Bett falle. Sind die Mädchen da?«
»Nein. Ich soll dir ausrichten, dass sie mal wieder bei Freundinnen übernachten. Aber sie wollten dich sowieso noch anrufen und dir Bescheid sagen.«
»Und bei welchen Freundinnen?«
»Wo sie in letzter Zeit immer sind, du kennst sie doch. Aber lass dich anschauen.« Sie machte ein nachdenkliches Gesicht und meinte: »Du siehst abgespannt aus. Du solltest endlich mal Urlaub machen, sonst fällst du irgendwann noch mal tot um. Hast du Feierabend?«
»Mama, ich kenne meine Grenzen. Und Feierabend hab ich noch lange nicht. Wo ist Papa?«
»Im Garten. Ich weiß nicht, wann er wiederkommt. Willst du was von ihm?«
»Nein, nichts Besonderes. Ich wollte einfach mal kurz vorbeischauen und sehen, wie es euch geht.«
»Uns geht es doch immer gut. Möchtest du etwas essen? Ich habe eine Reispfanne gemacht, eines deiner Lieblingsgerichte.«
»Wenn ich das vorher gewusst hätte, aber ich hab gerade gegessen. Doch ich versprech dir, Andrea und ich kommen am Sonntag zum Essen. Vorausgesetzt, es macht euch nichts aus.«
»Ihr seid wie immer herzlich willkommen.«
»Mama, nicht böse sein, aber ich muss schon wieder los. Die Pflicht ruft.«
»Wie dein Vater, als er noch Polizist war. Warum habt ihr euch nur diesen Beruf ausgesucht? Ich werde das nie verstehen.«
»Weil es uns Spaß macht. Wir wurden eben dazu geboren. Und jetzt ciao und bis Sonntag. Sollte was dazwischenkommen, melde ich mich rechtzeitig.«
»Es wird etwas dazwischenkommen, das spüre ich. Mach’s gut, mein Junge, und pass auf dich auf. Wir werden trotzdem zwei Plätze für euch freihalten.«
»Wenn schon, dann vier. Sarah und Michelle …«
»Für Sarah und Michelle ist sowieso immer mitgedeckt.«
Brandt fuhr in seine Wohnung, räumte schnell das Nötigste auf und wartete auf Andrea, die kurz nach vier kam. Sie trank ein Glas Wasser, machte sich im Bad frisch und zog sich um.
»So, ich bin so weit«, sagte sie.
»Ich auch gleich.« Er saß am Esstisch und machte sich ein paar Notizen.
»Was schreibst du da?«, wollte Andrea wissen und schaute ihm über die Schulter.
»Nur ein paar Dinge, die mit dem Fall zusammenhängen. Ich weiß, ich bin ganz nah an der Lösung, aber noch ist eine Wand dazwischen. Ich hab doch vorhin mit Wedels Schwägerin gesprochen, die hatte auch eine Affäre mit ihm. Sie behauptet jedoch, diese bereits im Januar beendet zu haben.
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