Mord auf Raten
ist Wahnsinn, das ist der blanke Wahnsinn! Ich habe Klaus nicht umgebracht, er hat mich umgebracht. Hören Sie, er hat mich umgebracht, auch wenn ich noch lebe! Aber jeden Morgen, wenn ich aufstehe, sehe ich in den Spiegel und denke: Wie lange wird es wohl dauern, bis man mir ansieht, dass ich krank bin. Ich werde allmählich sterben, in spätestens zehn Jahren, hat mein Arzt gesagt, wird die Krankheit ausbrechen. Das ist Mord! Aber ich habe nie in meinem Leben eine Waffe in der Hand gehalten, geschweige denn mit einer geschossen. Solche Dinger machen mir Angst. Ich war es nicht! Ich habe die Galerie außerdem seit ewigen Zeiten nicht betreten, und das ist die Wahrheit. Wenn ich Klaus hätte umbringen wollen, dann hätte ich es wahrscheinlich an dem Abend getan, als er mir sagte, dass er HIV-positiv ist.«
»Was haben Sie am Dienstagabend hier gemacht? Haben Sie mit jemandem telefoniert, sodass wir das nachprüfen können?«
Mit einem Mal hellte sich Christine Wedels Gesicht auf. »Du meine Güte, warum bin ich nicht gleich draufgekommen! Ja, ich habe telefoniert. Bestimmt zwei Stunden mit meiner Mutter, sie wird Ihnen das bestätigen.«
»Trotz der Migräne?«
»Gerade deshalb. Ich brauchte Ablenkung. Wir haben so von neun bis elf telefoniert. Bitte fragen Sie sie. Aber Sie können das doch auch anders feststellen, oder?«
»Also gut, wir werden das überprüfen, und wenn Ihre Angaben richtig sind, haben Sie nichts zu befürchten. Würden Sie mir bitte die Telefonnummer Ihrer Mutter geben?«
»Natürlich.« Christine Wedel schrieb die Nummer auf einen Zettel und reichte ihn Brandt.
»Frau Wedel, ich würde Ihnen gerne eine Frage stellen«, sagte Andrea. »Haben Sie in den letzten Wochen oder Monaten eine Grippe gehabt?«
»Ja, sogar eine ziemlich schwere. Aber das war im Mai oder Juni. Ich hatte hohes Fieber, Schüttelfrost und habe mehrere Tage im Bett gelegen. Warum?«
»Versuchen Sie sich zu erinnern, wann genau das war.«
»Das war zu Pfingsten. Ich habe über Pfingsten im Bett gelegen, weil es mir so dreckig ging. Es hat ungefähr eine Woche gedauert, bis ich wieder einigermaßen auf dem Damm war.«
»Haben Sie einen Kalender hier? Ich weiß nicht mehr, wann Pfingsten in diesem Jahr war.«
»Moment.« Christine holte einen Taschenkalender und sah nach. »8. Juni war Pfingstsonntag.«
»Dann haben Sie sich zwischen Ende April und MitteMai angesteckt. Wie oft hatten Sie Intimverkehr mit Ihrem Schwager?«
»Vier- bis fünfmal im Monat.«
Andrea überlegte und sagte schließlich: »Dann müsste er sich so zwischen März und April infiziert haben. Hatte er auch eine schwere Grippe in diesem Jahr?«
»Ja, es war so ähnlich wie bei mir. Er hat noch zu mir gesagt, dass er seit Ewigkeiten kein Fieber hatte. Es war auch für mich die erste schwere Grippe, an die ich mich erinnern kann. Würden Sie mir bitte sagen, warum Sie das interessiert?«
»In der Regel treten grippeartige Symptome zwei bis sechs Wochen nach der Infizierung auf. So, wie Sie es eben beschrieben haben. Die Viren bahnen sich ihren Weg durch den Körper, die Antikörper versuchen sie zu vertreiben, aber das Aids-Virus ist stärker. Es kommt zu einem Kampf, den die Antikörper grundsätzlich verlieren. Durch diesen Kampf kommt es zu den bereits angesprochenen grippalen Infekten mit Husten, Heiserkeit, Fieber, Schüttelfrost und so weiter. Wenn dieser erste Schub vorüber ist, haben Sie vorläufig Ruhe. Bekommen Sie Medikamente?«
»Ja. Der Arzt sagt, sie würden mein Immunsystem stärken.«
»Und Ihr Mann weiß nichts davon?«
»Nein, bis jetzt nicht. Die Medikamente habe ich auch gut versteckt.«
»Aber wenn Sie miteinander schlafen, wie machen Sie das? Ungeschützt?«
Christine schüttelte den Kopf. »Als mein Mann aus Australien zurückkam, habe ich ihm vorgeschwindelt, einen Pilz zu haben, der ansteckend ist. Als ich dann erfahren habe, dass ich positiv bin, habe ich ihn gebeten, dass wirvorläufig nur mit Kondom … Wegen des Pilzes. Ich weiß, ich kann ihm das nicht ewig verheimlichen. Und wenn es stimmt, dass ich mich bereits vor vier oder fünf Monaten infiziert habe, dann …« Sie fing wieder an zu weinen und ließ sich in den Sessel fallen, das Gesicht mit den Händen bedeckt.
»Hatte Ihr Mann seit Mai oder Juni eine Grippe?«
Christine schüttelte den Kopf, sie war unfähig zu sprechen.
»Dann hat er sich wahrscheinlich noch nicht angesteckt. Er sollte sich trotzdem testen lassen, nicht bei jedem müssen die
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