Mord auf Raten
sich hin und drückte dabei die Zigarette aus. »Dann wäre da noch Evelyn Gerster, die von ihrem Mann getrennt lebt, und Selma Chase, eine Amerikanerin, die schon mit einigen Männern aus dem Club was hatte. Ihr Mann ist ebenfalls ein hohes Tier bei einer Bank.«
»Und die Ehemänner wissen von dem Treiben ihrer Frauen?«
»Je ne sais pas, und wenn, dann lassen sie es sich nicht anmerken. Nur einer hat sich mir gegenüber einmal über Kaufung geäußert und ihn als verdammtes Dreckschwein bezeichnet, dem er am liebsten den Schwanz abschneiden würde.«
»Wann war das, und vor allem, wer?«
»Dr. Krüger. Das ist jetzt aber bestimmt schon ein Jahr her. Er war so wütend auf Kaufung, er sagte, dass Kaufung und seine Frau regelmäßig ficken würden. Ich gebe nur das wieder, was er gesagt hat«, antwortete Pierre mit entschuldigendem Blick in Nicole Eberls Richtung. »Außerdem hatte er auch schon reichlich getrunken.«
»Könnten Sie sich vorstellen, dass einer von diesen Männern Rachegefühle gegenüber Dr. Kaufung hatte?«
»Bestimmt hatten einige von ihnen eine ziemliche Wut auf Kaufung, weil er alles bekam, was er wollte, einschließlich ihrer Frauen.« Pierre schaute erst Brandt, dann Nicole Eberl an und schüttelte den Kopf. »Ach, wissen Sie, die meisten von denen sind so beschäftigt … Nein, ich kenne sie alle, und zu einem Mord wäre keiner von ihnen fähig. Sie sind hart im Job, aber privat eher zahm.«
»Nun gut, wir werden mit den Herrschaften sprechen. Siehaben gesagt, dass Dr. Kaufung auch mit einigen Männern gut auskam. Mit welchen denn?«
»Herr Wedel ist sein bester Freund. Aber auch Herr Friedrichs und Herr Schmieding gehörten zu seinen besseren Bekannten.«
Brandt fiel auf, dass Pierre sowohl in der Gegenwarts- als auch in der Vergangenheitsform sprach, ein typisches Zeichen von jemandem, der sich noch nicht ganz bewusst war, dass er über einen Menschen sprach, den er nie wiedersehen würde. Kein Besuch mehr im Club und im Restaurant, kein Plausch mehr mit dem Barkeeper, kein üppiges Trinkgeld mehr, nicht mehr das Mitbekommen interessanter Konversationen zwischen Kaufung und seinen Liebschaften.
»Und sonst niemand?«
»Nein.«
»Haben Sie zufällig die Adressen der Personen, die Sie uns eben genannt haben? Die von Frau Zinner haben Sie uns ja bereits gegeben.«
Pierre lächelte wieder, bevor er antwortete: »Ja, ich habe die Adressen.«
»Im Kopf?«, fragte Brandt ungläubig.
»Ich habe ein gutes Gedächtnis, das habe ich Ihnen gestern schon gesagt.«
»Dann mal los.«
Pierre nannte die Adressen, Nicole Eberl schrieb mit. Als er geendet hatte, sagte Brandt: »Ja, dann erst mal herzlichen Dank, dass Sie gekommen sind. Und für den Fall, dass wir noch Fragen haben, wo können wir Sie dann erreichen, außer im Tennisclub?«
Pierre zog aus der Brusttasche seines Hemdes eine Visitenkarte, legte sie auf den Tisch und stand auf. Er war schon an der Tür, als Brandts Stimme ihn zurückhielt.
»Sagen Sie, Sie sind doch ein gutaussehender junger Mann. Haben Sie nicht auch schon mit der einen oder andern Dame etwas gehabt?«
»Und wenn?«, fragte Pierre vielsagend lächelnd zurück, was für Brandt Antwort genug war.
»Nichts, pure Neugier. Wiedersehen.«
Nachdem Pierre weg war, sagte Brandt: »Und, was haltet ihr davon?«
Nicole Eberl zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wir müssen alle befragen, die auf meinem Zettel stehen, einschließlich dieser Denise Zinner, deren Adresse du hast. Erst dann werde ich einen Kommentar abgeben. Auf jeden Fall hat Kaufung einigen Leuten mächtig auf die Füße getreten. Ein smarter Typ, bei dem kaum eine Frau nein gesagt hätte, vorausgesetzt, es stimmt, was dieser Pierre erzählt hat. Wenn ich mir vorstelle, der hat sich durch den ganzen Club …« Das letzte Wort ließ sie unausgesprochen, sie mochte keine Gossensprache. Brandt hatte sie auch noch nie richtig fluchen hören.
»Könntest du ein bisschen genauer werden?«, sagte Brandt.
»Na ja, ich stell mir nur vor, ein reicher Mann im besten Alter hat eine Affäre nach der andern und serviert die Damen der Reihe nach ab, gerade so, wie’s ihm passt. Ich meine, er hat sein Vergnügen, macht die Frauen heiß, weil er ihnen das gibt, was sie vermutlich von ihren Männern nicht bekommen, und dann sagt er plötzlich ›tschüs, das war’s‹, weil ihm jede Affäre nach einer gewissen Zeit langweilig wird. Kaufung, der ruhelose Wolf, der ständig nach neuen Opfern Ausschau hält. Das
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