Mord auf Raten
gerichtet.
»Klein.«
»Brandt.«
»Ach, das ist ja nett, dass Sie sich auch mal melden. Ich habe gehört, Sie wurden gestern Abend zu einem Tatort gerufen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, kurz in meinem Büro vorbeizukommen?«
»Wenn Sie sich etwas davon versprechen.«
»Das klingt irgendwie anzüglich. Sei’s drum, ich bin noch bis mindestens dreizehn Uhr hier.«
Brandt legte einfach auf, ohne etwas zu erwidern. In ihmkochte es, er hatte keine Lust auf eine unnütze Konversation mit Elvira Klein. Er kannte bereits jetzt ihre Fragen, auf die er keine Antworten haben würde, ihre wahrscheinlich wieder einmal spitzen Bemerkungen, die ihm den ganzen Tag vermiesen konnten, ihre herablassende Art und vor allem den Befehlston, in dem sie ihn aufforderte, sich bei der Tätersuche gefälligst zu beeilen.
»Also, erst mal zur Klein. Kommst du schon mit?«, fragte er Eberl.
»Ich würd lieber hier warten. Was soll ich bei der Hitze im Auto hocken?«
»Auch gut, dann bis gleich. Hoffentlich. Ach ja, Bernie, lass doch mal alle aktenkundigen Junkies abchecken, ob von denen einer für die Tat in Frage kommen könnte.«
Brandt ging zu seinem Alfa 147, der in der prallen Sonne stand, machte die Tür auf, ein Schwall heißer Luft schoss ihm aus dem Wageninnern entgegen. Er wartete einen kurzen Moment, setzte sich hinein, startete den Motor und ließ die Fenster herunter. Dann schaltete er die Klimaanlage ein, schloss die Fenster wieder, allmählich wurde es kühler. Er dachte an den vor ihm liegenden Tag, an die vielen Gespräche, die zu führen waren und die ihn vermutlich keinen Schritt weiterbringen würden. Es war ein Bauchgefühl, nicht mehr, aber er glaubte einfach nicht daran, dass einer der gehörnten Ehemänner etwas mit dem Mord an Kaufung zu tun hatte. Vielleicht handelte es sich doch nur um einen dummen Zufall der Art, wie Brandt sie schon einige Male erlebt hatte, wenn auch nicht auf solch grausame Weise. Kaufung mag eine Verabredung in seiner Praxis gehabt haben, mit wem auch immer, hinterher war er noch einen Moment allein, und irgendein durchgeknallter Junkie hatte die Situation instinktiv erfasst und brutal für sich ausgenutzt. Obwohl der demHaus gegenüberliegende Park nicht von Drogensüchtigen frequentiert wurde, allein schon wegen des in unmittelbarer Nähe gelegenen Präsidiums, höchstens nachts, wenn alles schlief, hielten sich ab und zu ein paar von ihnen dort auf. Nein, er wusste bis jetzt noch gar nichts, er hoffte nur, wenigstens einen kleinen Hinweis im Laufe des Tages zu bekommen. Ein Puzzleteilchen ans andere fügen, um allmählich ein ganzes Bild zu erhalten. Nein, dachte er, Junkies brechen in Apotheken ein oder sie überfallen, wenn sie auf Turkey sind und nicht mehr klar denken können, alte Mütterchen und rauben ihre Handtaschen oder verticken Diebesgut.
Einen Arzt so kaltblütig zu ermorden gehörte eigentlich nicht zur Vorgehensweise von Süchtigen. Sicher, es waren auch schon Ärzte überfallen und mit gezücktem Messer oder einer angeblich mit Aids-Viren verseuchten Spritze gezwungen worden, bestimmte Medikamente wie Rohypnol, Valium oder andere Beruhigungsmittel herauszurücken, aber bislang war noch kein Arzt einem Mord aus diesen Beweggründen zum Opfer gefallen. Zumindest nicht in Offenbach oder irgendeiner anderen Stadt, die in den Zuständigkeitsbereich der Kripo Offenbach fiel. Er erinnerte sich nicht einmal an einen Fall aus der benachbarten Drogenhochburg Frankfurt, und das wollte schon etwas heißen. Das Motiv musste woanders liegen und damit auch der Mörder in einem ganz anderen Umfeld zu suchen sein. Kaufung war mit drei Stichen in den Rücken und einem von vorn umgebracht worden. Es war offensichtlich vorher zu keiner Auseinandersetzung gekommen, was nichts anderes hieß, als dass Kaufung völlig überraschend niedergestochen worden war. Vielleicht von jemandem, den er kannte und von dem er niemals vermutet hätte, dass er ihn umbringen würde. Jemand, dem Kaufung vertraute. Außerdem hätte, und da musste er Andrea Recht geben,ein Einbrecher oder Junkie mit Sicherheit das Portemonnaie mitgehen lassen und auch den Schreibtisch und die Schränke nach weiteren Wertgegenständen durchwühlt.
Nach sieben Minuten hielt er vor dem Gebäude, in dem die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hatte. Er begab sich in den ersten Stock und ging zielstrebig an der Sekretärin vorbei, die er freundlich grüßte, während sie ihn nur wie immer mit diesem leicht herablassenden Lächeln
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