Mord auf Raten
Sie, aber das klingt nicht sehr freundlich, wie Sie über Ihren Bruder sprechen …«
»Soll ich Ihnen vielleicht etwas vorlügen?« Er lachte auf und schüttelte den Kopf. »Nein, das war noch nie meine Art. Entweder geradeheraus oder den Mund halten. Was immer mit ihm passiert ist, er wird nicht ganz unschuldig daran sein. Oft genug habe ich ihn gewarnt, es nicht zu weit zu treiben, aber er wollte nie auf mich hören. Ich war ja nur der kleine blöde Bruder, der keine Ahnung vom Spiel des Lebens hat. Und als solches hat er das Leben gesehen, als ein Spiel, als ein großes, gottverdammtes Spiel.« Er machte eine Pause, seine Kiefer mahlten aufeinander, bis er seinen Mund entschuldigend zu einem Lächeln verzog. »Entschuldigen Sie, wenn ich zu hart geklungen habe, aber diese Nachricht hat mich ziemlich umgehauen.« Jochen Wedel kam zurück, setzte sich zu seiner Frau und nahm sie in den Arm.
»Ist schon gut. Es ist besser, wenn die Leute ehrlich sind. Sie haben vorhin den Namen Kaufung erwähnt. Kannten Sie ihn?«
»Natürlich, er war unser Hausarzt. Ich habe ehrlich gesagt nie verstanden, wie die Freundschaft zwischen ihm und meinem Bruder funktionieren konnte. Aber es hat keinen Sinn, sich jetzt noch darüber Gedanken zu machen.«
»Und wie standen Sie zu Dr. Kaufung?«
»Er war einer der besten Ärzte, die wir jemals hatten. Nein, er war der beste. Und meine Frau wird Ihnen das nur bestätigen können. Nicht wahr, Schatz?«
Christine Wedel nickte nur und nestelte immer noch an ihrer Bluse.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Brandt.
»Meine Frau ist gesundheitlich etwas angeschlagen und …«
»Es ist nicht so schlimm, ich habe nur seit gestern starke Migräne.«
»Und jetzt, da Dr. Kaufung nicht mehr da ist, finden wirkeinen Arzt mehr, der diese Attacken effizient behandeln kann. Wenn meine Frau früher Migräne hatte, ist sie zu ihm gefahren, er hat sie akupunktiert oder Reiki gemacht, und die Beschwerden waren weg. Aber finden Sie mal einen wirklich kompetenten Akupunkteur. Die meisten sind nur Stümper, die vorgeben, etwas zu können.«
»Wussten Sie von den zahlreichen Affären, die Dr. Kaufung hatte?«
»Es ist ein offenes Geheimnis, dass er kein Kind von Traurigkeit war. Aber was hat das mit dem Tod meines Bruders zu tun?«
»Nun, die beiden waren beste Freunde. Hatte Ihr Bruder vielleicht eine ähnliche Neigung?«
»Hören Sie«, antwortete Wedel aufgebracht und ziemlich scharf, »ich habe nicht die geringste Ahnung, ob mein Bruder eine ähnliche Neigung hatte oder fremdgegangen ist, und es interessiert mich auch nicht im Geringsten. Er hat sein Leben gelebt, wir unseres.«
Brandt überlegte, ob er die nächste Frage, die ihm auf der Zunge lag, stellen sollte, und entschied sich schließlich, es zu tun. »Was können Sie uns über die Ehe Ihres Bruders sagen?«
»Haben Sie noch nicht mit meiner Schwägerin gesprochen?«, fragte Wedel mit zusammengekniffenen Augen.
»Doch, aber ich würde auch gerne Ihre Meinung hören.«
Wedel stand erneut auf, ging an den Schrank, holte eine Flasche Whiskey und ein Glas heraus und schenkte sich ein. Er trank es in einem Zug leer, um es gleich wieder zu füllen. »Klaus und Katharina haben sich hervorragend verstanden, sie haben sozusagen auf einer Wellenlänge gefunkt. Ich würde es mit ihr nicht eine Stunde allein aushalten. Sie ist scharfzüngig und eine Zynikerin, wie sie im Buche steht,aber die beiden haben sich gesucht und gefunden. So wie meine Frau und ich. Klaus und Katharina haben uns nur eines voraus – sie haben ein Kind und wir noch nicht.« In seinen letzten Worten schwang eine Spur Bitterkeit mit. Er hielt inne, trank seinen Whiskey aus, stellte das Glas ab und ging wieder zu seiner Frau, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und fuhr fort: »Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Nicht wahr, Schatz? Wir geben uns jedenfalls größte Mühe. Haben Sie Kinder?«
»Ich habe zwei Töchter im besten oder besser gesagt schwierigsten Alter. Und ich bin geschieden.«
»Das tut mir leid. Dann sehen Sie Ihre Töchter wohl kaum einmal?«
»Sie leben bei mir.«
»Und das können Sie mit Ihrem Beruf vereinbaren?«
»Es geht alles, wenn man will. Meine Eltern wohnen außerdem um die Ecke.«
»Und Sie, Frau … Ich habe leider in der Aufregung Ihren Namen vergessen.«
»Eberl. Ich habe eine Tochter, wir haben sie adoptiert, als sie noch ganz klein war. Aber bevor wir zu privat werden – wo waren Sie gestern Abend zwischen halb zehn und
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