Mord auf Raten
Wohlanständigkeit ist, wenn die Türen und Fenster geschlossen sind? Am Ende sind wir alle gleich, wenn wir nackt vor dem Spiegel stehen und unsere äußeren Unzulänglichkeiten sehen. Und vor unseren inneren verschließen wir gerne die Augen. Ich mach da keinen Unterschied. Der einzige Unterschied ist, dass manche sich dumm und dämlich verdienen und andere fast nichts zum Leben haben. Aber sind die Menschen glücklicher, wenn sie von einem Bett ins nächste hüpfen? Weder die Johannsen noch die Zinner, noch irgendeiner sonst von denen, die wir kennen gelernt haben, ist glücklich. Ich möchte jedenfalls mein Leben mit keinem von denen tauschen. Ich habe zwei wunderbare Töchter, ich liebe meine Eltern und …«
Als er nicht weitersprach, sagte Eberl: »Du kannst es ruhig sagen, wir sind ganz allein.«
»Die Frau ist der absolute Wahnsinn. Und das Schöne ist, dass sie sich so gut mit Sarah und Michelle versteht. Wenn ich da an andere Alleinerziehende denke, die den größten Zoff mit ihren Kindern haben, wenn plötzlich ein Neuer oder eine Neue auftaucht. Das ist ein echter Glücksfall.«
»Sie ist das Beste, was dir passieren konnte. Und außerdem bist du ein toller Vater. Fahren wir jetzt zum Bruder? Kennst du dich überhaupt in Heusenstamm aus?«
»Meine Liebe, ich kenne mich überall in unserm Zuständigkeitsbereich aus. Aber erst essen wir was, mir hängt der Magen in den Kniekehlen.«
Sie hielten an einer Imbissbude, Brandt aß eine Rindswurst mit einer doppelten Portion Pommes frites rot-weiß und trank dazu eine Cola, Eberl begnügte sich mit einer Bratwurst mit Brötchen.
Mittwoch, 13.35 Uhr
Jochen und Christine Wedel bewohnten einen Bungalow in einer Siedlung voller Bungalows und Doppelhaushälften. Nur wenige Menschen waren um diese Zeit auf der Straße zu sehen. An das Haus angebaut war eine Doppelgarage, in der ein Mercedes und ein BMW Cabrio standen. Auf Brandts Klingeln erschien gleich darauf ein großer braungebrannter Mann mit vollem dunklem Haar, der höchstens vierzig war, eher jünger.
»Herr Wedel?«, fragte Brandt.
»Ja. Aber wenn Sie etwas verkaufen möchten …«
»Wir wollen nichts verkaufen. Kripo Offenbach. Mein Name ist Brandt, das ist meine Kollegin Frau Eberl. Wir würden gerne mit Ihnen sprechen. Haben Sie ein paar Minuten für uns?«
»Kriminalpolizei?«, fragte Jochen Wedel misstrauisch nach und kam näher, um sich die Ausweise genauer zu betrachten. Erst danach öffnete er das Tor und ließ die Beamten eintreten. »Darf ich fragen, was Sie zu mir führt?«
»Das besprechen wir besser im Haus.«
Jochen Wedel ging vor ihnen hinein, der Geruch südländischer Küche hing in der Luft. Eine relativ junge Frau, die vonBrandt auf höchstens dreißig geschätzt wurde, kam aus der Küche und musterte die Kommissare kritisch.
»Meine Frau«, stellte er sie vor, »das sind zwei Beamte von der Kriminalpolizei.«
»Was will die Polizei von uns?«, fragte Christine Wedel und sah ihren Mann an.
»Das werden wir Ihnen gleich erklären. Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?«
»Gehen wir ins Wohnzimmer. Schatz, wärst du bitte so nett, uns etwas zu trinken zu bringen. Sie trinken doch sicherlich auch einen Orangensaft?«
»Gerne«, antworteten Brandt und Eberl wie aus einem Mund.
»Nehmen Sie doch bitte Platz«, sagte Wedel und deutete auf die Sitzgarnitur. Christine Wedel kam mit einem Tablett zurück, stellte die Gläser auf den Tisch und schenkte ein. Brandt betrachtete sie aus dem Augenwinkel, eine hübsche, attraktive junge Frau, die jedoch einen melancholischen, etwas gequälten Gesichtsausdruck hatte, fein geschwungene Lippen, große braune Augen, braune, bis auf die Schultern fallende Haare, schmale Hände, feingliedrige, fast fragile Finger.
Er wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und sagte, wobei er Jochen Wedel ansah: »Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Bruder Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Es tut mir leid, aber …«
»Was sagen Sie da? Klaus ist tot? Das ist kein Scherz, oder?«
»Damit macht man keine Scherze. Ich wünschte, ich hätte es Ihnen schonender beibringen können, aber …«
»Schon gut, es ist egal, wie Sie es sagen, das Resultat ist doch dasselbe. Wann und wie ist es passiert?«
»Gestern am späten Abend, in der Galerie. Er wurde erschossen.«
Es entstand eine Pause. Christine Wedel hatte den Blick zu Boden gerichtet und nestelte nervös am Saum ihrer Bluse, die sie über der Jeans trug. Jochen Wedel stand auf, ging
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