Mord auf Raten
Ihnen viel Erfolg. Tschüs.«
Brandt sah ihr verdutzt nach, als sie sein Büro verließ. Er hörte noch ihre Schritte auf dem Flur. Sie hatte noch nie tschüs zu ihm gesagt. Er zuckte mit den Schultern, dachte, gib bloß nicht zu viel auf das, was sie eben gesagt hat, ging auf die Toilette, wusch sich anschließend die Hände und das Gesicht, atmete ein paarmal tief ein und wieder aus und begab sich zurück in sein Büro. Eberl und Spitzer kamen herein.
»Was war denn hier los?«, fragte Spitzer. »Habt ihr euch gestritten? Du bist einmal ziemlich laut geworden.«
»Halb so schlimm. Alles in bester Ordnung«, erwiderte Brandt kurz angebunden.
»Hat sie wieder irgendwelchen Mist von sich gegeben?«
»Hör zu, ich hab’s eilig«, beendete Brandt das Gespräch und lief mit schnellen Schritten nach draußen.
»Hast du ihr die Meinung geblasen?«, rief ihm Spitzer hinterher.
Brandt dachte, ich bin ja wohl der Einzige, der sich das traut, und tat, als hätte er die letzten Worte nicht mehr gehört, stieg in seinen Wagen, startete den Motor und fuhr los. Seine erste Station würde Sandra Heuser sein.
Mittwoch, 15.40 Uhr
Sandra Heuser hatte eine schmucke kleine Wohnung in der Friedrichstraße, nur wenige Minuten von der Galerie entfernt. Brandt begab sich in den zweiten Stockdes erst vor kurzem renovierten Hausflurs, in dem noch der Geruch frischer Farbe hing. Die junge Frau hatte sich offensichtlich von dem ersten Schock erholt. Sie stand in der Tür, bekleidet mit einer legeren Sommerhose und einem hellblauen T-Shirt, an den Füßen trug sie weiße Leinenschuhe. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab, als wäre sie froh, endlich nicht mehr allein sein zu müssen, und bat Brandt herein. Die Einrichtung war ungewöhnlich, sie spiegelte offenbar die große Sehnsucht einer jungen Frau wider, die am liebsten nach Afrika auswandern würde – an den Wänden afrikanische Masken, Bilder und Fotos, Elefanten aus Holz, Glas und Porzellan in einer Vitrine, ein überdimensionaler Wandteppich aus buntschillernden Farben über dem Sofa. Alles erinnerte an Afrika, selbst die Möbel. Aus der Stereoanlage klang leise Musik, die er von irgendwoher kannte, aber im Moment nicht einzuordnen wusste, vielleicht, weil seine Gedanken zur Zeit mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt waren. Sandra Heuser wollte schon zur Anlage gehen, um sie auszuschalten, als Brandt sagte: »Warten Sie, was ist das? Ich kenne es, aber ich komme nicht auf den Namen der Künstlerin.«
»Norah Jones. Ich liebe diese CD. Soll ich sie anlassen?«
»Gerne, solange wir uns dabei unterhalten können.« Natürlich, er erinnerte sich jetzt, bei Andrea zum ersten Mal diese CD gehört zu haben. Es war am ersten Abend und der ersten Nacht, die er bei ihr verbracht hatte. Sie hatten auf dem Sofa gesessen, Rotwein getrunken, sich unterhalten, bis sie ihn gefragt hatte, ob er die Nacht bei ihr bleiben wolle. Erst waren es zaghafte Annäherungsversuche ihrerseits gewesen, dann hatte sie sich in seinen Arm gekuschelt, und er war geblieben. Danach folgten viele Nächte bei ihr und bei ihm,und er war froh, dass sie sich immer noch so gut verstanden wie vor etwas mehr als einem halben Jahr. Und er hoffte, dass sich daran auch nichts ändern würde. Norah Jones, wie hatte er das nur vergessen können.
Und irgendwie erinnerte ihn Sandra Heuser an Andrea, die Art, wie sie sich bewegte, wie sie schaute, selbst ihre Stimme klang ähnlich. Sie war lediglich etwas größer und blond. Und sie war eine starke Frau, und doch meinte er zu erkennen, dass sie in ihrem tiefsten Innern sehr verletzlich war – wie Andrea.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Wasser, Cola, Kaffee, Tee?«
»Gegen ein Glas Cola hätte ich nichts einzuwenden«, antwortete er.
Die Sonne schien durch das breite Fenster, auf den Möbeln lag kein Staub, der Teppich über dem Parkettboden war sauber, aber es war eine gemütliche Sauberkeit, nicht steril und abweisend, sondern einladend. In einem Regal standen viele Bücher, Romane und Sachbücher, in der rechten Ecke neben dem Fenster waren ein Fernsehapparat und die Stereoanlage, auf dem Fensterbrett Blumen, links vom Fenster eine hohe Grünpflanze, deren Namen er nicht kannte. Er erschrak, als wie aus dem Nichts eine Katze direkt neben ihn auf das Sofa sprang und ihn beschnupperte. Sie war klein und zierlich und grau getigert, nur die Pfoten waren weiß, als hätte sie winzige Stiefel an. Er kraulte ihr den Kopf, was sie sich
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