Mord auf Raten
wohlig schnurrend gefallen ließ, und sie kam auf seinen Schoß. Brandt mochte Katzen, auch wenn er selbst keine hatte. Sie waren ihm lieber als Hunde, die viel Arbeit und Pflege erforderten und mit denen man bei Wind und Wetter rausmusste. Sarah und Michelle wünschten sich schon länger eine, aber noch zögerte er, denn wer würde sich um sie kümmern?
»Ah, Sie haben sich schon miteinander bekannt gemacht«, sagte Sandra Heuser und stellte die gefüllten Gläser auf den Tisch. »Sie ist mir vor ein paar Monaten zugelaufen, da war sie noch ganz klein und hatte sich wohl verirrt, und ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie draußen zu lassen, weil es so kalt war. Sie ist eine ganz Liebe, sie kratzt nicht, sie beißt nicht und freut sich jedes Mal, wenn ich nach Hause komme. Na ja, in nächster Zeit werde ich wohl öfter zu Hause sein, wie es ausschaut.«
»Sehen Sie nicht so schwarz. Sie wohnen übrigens schön hier. Gefällt mir. Vor allem die ungewöhnliche Einrichtung.«
»Danke. Ich habe mich sofort in diese Wohnung verliebt, als ich sie gesehen habe. Ich habe mich einfach vom ersten Moment an wohl gefühlt. Tja, und irgendwann werde ich nach Afrika gehen. Ich war schon oft dort, und je öfter ich hinfliege, desto schwerer fällt mir der Abschied. Na ja, was soll’s. Aber Sie sind bestimmt nicht gekommen, um sich mit mir über meine Wohnung und meine Träume zu unterhalten.«
»Nein, natürlich nicht. Trotzdem möchte ich Sie fragen, wie es Ihnen jetzt geht?«
»Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich versuche mich abzulenken, aber ich krieg das Bild einfach nicht aus meinem Kopf. Wie er dagesessen hat … Ich habe noch nie zuvor einen Toten gesehen. Ich glaube, ich werde diesen Anblick nie vergessen.«
»Ganz vergessen vermutlich nicht, aber das Bild wird mit der Zeit immer blasser werden.«
»Ich hoffe, ich kann heute Nacht schlafen, ich will nicht davon träumen. Ich habe ein bisschen Angst davor.«
»Haben Sie niemanden, zu dem Sie gehen können?«
»Ich habe schon mit Frau Müller gesprochen, ob sie beimir übernachten möchte. Sie hat gesagt, dass sie es sich überlegen will. Wenn nicht anders, fahre ich zu meinen Eltern nach Hanau.«
Brandt trank einen Schluck Cola und sagte: »Ich müsste Ihnen jetzt noch ein paar Fragen stellen. Unter anderem, wo Sie gestern Abend zwischen einundzwanzig Uhr dreißig und Mitternacht waren. Ich weiß, Sie haben das schon meiner Kollegin gesagt, aber ich würde es trotzdem gerne noch einmal hören.«
»Ich war mit Doreen im Kino, die Karte habe ich noch.«
»Und wann sind Sie nach Hause gekommen?«
»So gegen halb eins. Wir waren hinterher noch in der Cafe Bar und haben einen Cocktail getrunken.«
»Sind Sie und Frau Müller befreundet?«
»Wir verstehen uns ganz gut und können über alles reden. Wir sind oft in der Bar, und dort wird man Ihnen auch bestätigen, dass wir gestern da waren.« Sie lächelte still vor sich hin und meinte kurz darauf: »Ich habe diese Fragen erwartet, aber glauben Sie mir, ich hätte Herrn Wedel niemals umbringen können, ich verabscheue Gewalt jeglicher Form.«
»Diese Fragen müssen einfach sein. Wie war denn Ihr Verhältnis zu Herrn Wedel?«
»Ganz gut. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Er war mein Chef, und ich kann mich nicht beklagen.« Ihre Antwort klang glaubwürdig. Das Einzige, was Brandt störte, war, dass sie ihren Blick bei diesen Worten abwandte und für einen Moment aus dem Fenster schaute.
»Sie haben heute Vormittag gesagt, dass Sie seit drei Jahren für ihn arbeiten. Erzählen Sie doch mal, was für ein Mensch er war, damit ich mir ein Bild von ihm machen kann.«
»Haben Sie noch nicht mit seiner Frau gesprochen?«
»Ach wissen Sie«, sagte Brandt lächelnd, »Ehefrauen oder Ehemänner sind nur sehr selten objektiv. Sie setzen dem Verstorbenen in der Regel einen Heiligenschein auf, aber nachdem eine gewisse Zeit vergangen ist und man ein bisschen tiefer gebohrt hat, bleibt von dem Heiligenschein nicht mehr viel übrig, und hervor tritt ein ganz normaler Mensch mit allen Stärken, Fehlern und Schwächen, die Menschen nun mal haben.«
»Und Sie glauben, ich könnte Ihnen etwas anderes über ihn sagen?«
»Ich hatte es zumindest gehofft.«
Sandra Heuser zögerte, lehnte sich zurück, die Beine übereinander geschlagen, die Arme auf der Sessellehne. »Also gut, ich werde es versuchen. Er war kein Supermann, als den er sich gerne gesehen hat. Wedel konnte sehr charmant, sehr höflich, aber auch knallhart
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