Mord auf Widerruf
Für einen Zwerg war er ganz schön beeindruckend, mußte Dalziel innerlich einräumen.
Trimble fuhr fort: »Doch in diesem Fall gebe ich Ihnen mitnichten einen Rat. Als Ihr Vorgesetzter gebe ich Ihnen einen unzweideutigen Befehl. Und ich versichere Ihnen, wenn Sie meinem Befehl nicht gehorchen, fliegen Sie. Haben Sie das verstanden?«
»Ja, Sir. Fliegen, Sir. Wohin?«
Trimble lächelte traurig.
»Tief, Andy. Nach allen Regeln der Zunft. Das war’s für heute.«
Vor die Tür geschickt, ohne daß er am kaledonischen Nektar auch nur schnuppern durfte.
»In Ordnung, Sir. Danke«, sagte Dalziel beim Aufstehen. »Gehen Sie zum Ball?«
Am Abend sollte der Bürgermeisterball zugunsten des Hospizes stattfinden.
»Ja, ich gehe hin«, sagte Trimble. »Ein Mann in meiner Stellung kann es sich nicht leisten, das größte gesellschaftliche Ereignis der Grafschaft zu verpassen. Und Sie?«
»Doch, doch. Die unteren Stände sind ebenfalls zugelassen«, erwiderte Dalziel. »Vielleicht reserviere ich einen Tanz für Sie.«
»Wie freundlich«, murmelte Trimble. »Ich bin sicher, daß Sie einen passablen ›Dashing White Sergeant‹ tanzen. Besonders, wenn Sie nicht aufpassen.«
Tiefer konnte er gar nicht mehr sinken! Von einem Gnom aus Cornwall so zusammengestaucht zu werden! Es war sinnlos, dem Schiedsrichter auch nur einen Blick zuzuwerfen. Ein geknickter Dalziel machte sich schweren Schritts davon.
Zehn
T rimble hatte ganz recht. Dem Scheunentanz des Liberalen-Clubs, dem Grillabend des Rugby-Vereins und dem Blasmusikfestival des Arbeiterbundes zum Trotz war und blieb der bürgermeisterliche Benefizball zugunsten des städtischen Siechenhauses – wie man es einstmals nannte – das gesellschaftliche Ereignis der Grafschaft.
Niemand, der Rang, Namen und Macht hatte oder sich wohltätigen Werken, sozialem Engagement oder der Haute Couture verschrieben hatte, konnte sich leisten, nicht anwesend zu sein.
Zwar hieß es auf der Eintrittskarte »Kein Frackzwang«, um zu betonen, wie demokratisch man gesonnen war, und Peter Pascoe, der sich gegen die anti-elitären Argumente seiner Frau nicht hatte durchsetzen können, war tatsächlich in seinem dunkelgrauen Flanellanzug erschienen. Doch er sah sich geblendet von Hemdbrüsten mit Spitzenschaum, Fliegen, bunt wie Schmetterlinge, und Kummerbunde in allen Farben des Fernsehtestbilds. Und sein unansehnliches Federkleid glättete sich erst recht nicht, als er feststellen mußte, daß Ellies egalitäre Prinzipienreiterei sie keineswegs davon abgehalten hatte, sich ein schulterfreies, knapp die Brüste verhüllendes blaues Seidenkleid in einem Stil zu kaufen, den Prinzessin Di populär gemacht hatte.
Doch selbst Ellie wurde von Dalziels Auftreten in den Schatten gestellt. Makellos in einem Smoking von neuestem Schnitt, mit heliographischen Schuhen und Manschettenknöpfen, deren Brillanten in seinem schneeweißen Hemd wie Eisblumen funkelten, war er die passende Ergänzung für seine Begleiterin. Obwohl diese wahrlich keinerlei Ergänzung bedurfte. Es war nämlich Eileen Chung, die um des fernöstlichen Bluts in ihren Adern willen den okzidentalen Anteil an ihrer Geburt völlig unterdrückt hatte. Sie trug ein enganliegendes, langes Kleid aus grün-gelber Seide, dessen mit Schmucksteinen besetzter Drache sich schmeichelnd um ihren geschmeidigen Körper wand. Der Schlitz setzte beim Knöchel an und schien nirgendwo zu enden. Bei jedem ihrer Schritte japsten die stärksten Mannsbilder nach Luft, und die stärksten Weibsbilder knirschten hinter einem blasierten Lächeln mit den Zähnen.
»Mund zu«, murmelte Ellie in Pascoes Ohr.
Er grinste und bewunderte zum einen Eileen Chungs Schönheit und zum anderen Dalziels Selbstbewußtsein, wie dieser der Gemahlin des Bürgermeisters einen Kuß durch die Luft schickte und dem Bischof fröhlich zurief: »Wie geht’s, wie steht’s, Joe?«, bevor er sich mit seiner Partnerin an denselben Tisch wie Dan Trimble, Eden Thackeray und einige andere setzte.
»Das nenne ich mir aber mal ein ›Seltsames Paar‹«, sagte jemand aus Ellies politisch-akademischem Kreis, aus dem sich ihr Achtertisch zusammensetzte. Ellie hatte zur Bedingung gemacht, den Abend ohne polizeiliches Fachgesimpel zu verbringen. »Die Schöne und das Biest kommen darin aber nicht vor!«
»Wieso seltsam?« korrigierte jemand. »Gutes Schweinefleisch hat eine knackige Kruste.«
Ein dumpfes Geräusch, wie wenn ein Zeh gegen ein Schienbein prallt, und der Sprecher stieß
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