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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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einen Schmerzensschrei aus. Das Zeitalter der Diplomatie war doch noch nicht tot, dachte Pascoe. Dann fing er Ellies Blick auf und sah, wie sich ihr Augenlid zu einem konspirativen Blinzeln senkte, und begriff, daß der Tritt strafend und nicht warnend gemeint gewesen war. Er lächelte seiner Frau zu, doch seine Schlachten konnte er selbst schlagen. Zu dem Getretenen gewandt, dessen Doktorarbeit über mittelalterliche Dreifelderwirtschaft gerade zum zweiten Mal abgelehnt worden war, sagte er: »Haben Sie nicht an diesen Anmerkungen zum Gartenbau gearbeitet? Hat sich schon ein Interessent dafür gefunden?«
    Akademiker sind von Natur aus Kannibalen, und diese Kostprobe vom Blut eines der Ihren versetzte den Rest des Tisches in beste Stimmung, und der Abend lief von da ab wie geschmiert. Alles war, wie es bei einem so großartigen Ereignis sein sollte. Die Preise für die Getränke waren jenseits von Gut und Böse, die Musiker der Tanzkapelle spielten gegeneinander statt miteinander, und das Buffet war zwar eine Augenweide, aber kein Gaumenschmaus.
    Der Abend war ungefähr zur Hälfte verstrichen, als eine wohltätige Versteigerung von Gegenständen auf dem Programm stand, die von verschiedenen »Persönlichkeiten« gespendet worden waren. Die Gebote erfolgten besonders rasch für eine Yorkshire-Mütze, die ein bekannter Kricketspieler der Nachkriegszeit, der aus der Grafschaft stammte, gestiftet hatte, doch ein Schweigen trat ein, nachdem eine Stimme das Gebot von fünfhundertfünfzig Pfund auf tausend Pfund erhöht hatte.
    »Kein weiteres Gebot?« fragte der Versteigerer. »Dann erhält Mr. Philip Swain den Zuschlag!«
    Pascoe folgte dem Arm des Auktionators mit den Augen und sah zum ersten Mal an diesem Abend Swain. Dalziels Hoffnungen hin und Timbles Befürchtungen her, Swains Ansehen in der Stadt war anscheinend wiederhergestellt. Locker und gelassen nahm er die Glückwünsche seiner Tischnachbarn entgegen. Pascoe kannte die meisten bei Namen bis auf eine junge Frau mit etwas herben Zügen, die aber dennoch gut aussah und die er nicht einordnen konnte, bis er Arnie Stringer neben ihr entdeckte. Es war Shirley Appleyard. Gut zu unterhalten schien sie sich nicht. Unter seinem Blick stand sie auf und durchquerte den Ballsaal, bis sie bei Dalziels Tisch angekommen war. Es gelang ihr, ihn auf sich aufmerksam zu machen, er stand auf und ging mit ihr ein wenig zur Seite, wo er sich eine Weile mit ihr unterhielt. Dann kehrten beide zu ihren Plätzen zurück.
    »Sehr interessant«, sagte Pascoe halb zu sich selbst.
    »Was?« wollte Ellie wissen.
    »Was manche Leute für einen schicken Hut ausgeben«, erwiderte er vage.
    »Das ist doch das einzige, wozu die ihre alte Rübe brauchen«, sagte ein Witzbold.
    »Ist doch schön, wenn wenigstens
die
Rübe noch zu gebrauchen ist«, fiel ein zweiter ein.
    Pascoe ahnte, wie das weiterging. Er entschuldigte sich und ging zur Toilette. Als er den Saal wieder betrat, platzte er in eine sehr englisch leise, jedoch hochdramatische Szene. Die Frau, in der er Mrs. Horncastle erkannte, mußte wohl gerade von der Damentoilette kommend auf ihren Mann gestoßen sein, der sie abfangen wollte.
    »Aber es ist noch so früh«, protestierte sie. »Und du hast selbst gesagt, daß es für einen guten Zweck sei.«
    »Ich bin nicht sicher, ob der Zweck die Mittel so ganz und gar heiligt«, sagte der Stiftsherr. »Ich habe jedenfalls das Gefühl, daß wir unserer Pflicht Genüge getan haben. Man wird unsere Anwesenheit wahrgenommen haben.«
    »Wie man unseren Aufbruch wahrnehmen wird«, erwiderte sie. »Ich kann unmöglich weggehen, ohne mich von meinen Tischnachbarn verabschiedet zu haben.«
    »Ich habe mich in unser beider Namen verabschiedet«, sagte der Stiftsherr.
    An dieser Stelle bemerkte er Peter Pascoe und warf ihm einen empörten Blick zu. Pascoe lächelte zurück und sagte: »Guten Abend, Herr Kanonikus, Mrs. Horncastle. Der Abend läuft sehr gut, finde ich. Vielleicht darf ich Sie später zu einem Tanz bitten, Mrs. Horncastle?«
    Sie lächelte matt, und Pascoe überließ die beiden wieder ihrer Synode.
    Im Ballsaal wurde erneut getanzt, und das erste, was er sah, war Dalziel, der einen flotten Quickstep mit Eileen Chung hinlegte. Das zweite war Ellie in den Krallen des mittelalterlichen Gemüsemannes. Noch bevor er analysieren konnte, was er von den beiden Konstellationen halten sollte, ging ein Pieper los. Es sagte viel über die Atonalität der Kapelle aus, daß ihn zuerst niemand

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