Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
Ich dachte, Sie seien noch bei Ihrem Laienschauspiel. Ich wollte das hier auf Ihren Schreibtisch legen.«
    »Sag mir, worum es geht. Mir hängt im Augenblick alles Geschriebene zum Hals heraus.«
    »Ich habe gerade einen Anruf von der Kripo in Leeds-Mitte erhalten. Wie Sie wissen, hatten die da richtigen Ärger mit ihren Hools. Doch da die dort hochorganisiert sind, sind sie infiltrationsgefährdet, und die V–Mann-Operation in Leeds hat einige ausgezeichnete Ergebnisse gebracht.«
    »Dann schick den Knilchen einen Orden. Was hat das mit uns zu tun?«
    »Während der beiden letzten Spielzeiten sollen einige von unseren City-Anhängern bei der Bande aus Leeds mitgemacht haben, weil hier nichts los war. Doch nun teilen sie ihre Zeit zwischen hier und dort auf, weil sie den Ehrgeiz entwickelt haben, sich einen Namen als City-Mob zu machen. Bisher haben wir nur Vornamen, was uns noch nicht viel weiterbringt, aber sobald man in Leeds an harte Fakten kommt, werden wir benachrichtigt. Vielversprechend, was?«
    »Ja, muß nett sein, wenn andere die Arbeit für einen erledigen«, sagte Dalziel mürrisch. »Wenn mir das nur auch gelänge. Ich bilde mir ein, mich daran zu erinnern, einen Müßiggänger hier beauftragt zu haben, dieser Witzboldin zu sagen, wo’s langgeht.«
    Er warf Pascoe den neuesten Brief zu, der ihn mit besorgter Miene las.
    »Klingt mir gar nicht nach Witzbold«, sagte er.
    »Nein? Dann sorg dafür, daß ich sie endlich loswerde! Herrgott, du hattest wahrlich Zeit genug!«
    Eine solche Bemerkung von jemandem, der das Elend der dunklen Lady als zu trivial empfand, um seine eigene kostbare Zeit darauf zu verwenden! Hier war jedes Wort zuviel. Pascoe rief Pottle an, und der lud ihn in den Personal-Club der Universität ein. Der Psychiater las den Brief zweimal durch.
    »Sie ist sehr verwirrt«, sagte er.
    Pascoe unterdrückte das spöttische Erstaunen, das ihm auf der Zunge lag, mit der Feinfühligkeit des Gastes und nahm einen langen Zug von seinem Gespritzten. Pottle betrachtete ihn mit einem leichten Lächeln, das vermuten ließ, daß ihm nicht entgangen war, wie Pascoe seine Bemerkung hinuntergeschluckt hatte.
    »Das mag offensichtlich erscheinen«, fuhr er fort. »Doch ich entdecke hier eine Verwirrung, die über die grundsätzliche geistige und seelische Verwirrung hinausgeht, die sie an den Rand des Suizids treibt. Es hat etwas mit dem Durchschauen ihrer eigenen Motive zu tun, das zwischen dem Bewußten und Unbewußten schwebt. Obwohl sie es leugnet, kam ihr der Verdacht, daß sie Dalziel doch nicht nur als Klagemauer benutzt, sondern daß sich dahinter ein Appell versteckt, sie zu finden, und so beendete sie die Korrespondenz nach dem zweiten Brief. Dann wurde ihr Bedürfnis zu ›reden‹ so groß, daß sie wieder anfangen mußte, um sich nicht zu verraten! Nach zwei weiteren Briefen wiederholt sich das Muster, und sie beschließt noch einmal aufzuhören. Diesmal jedoch, ohne es vorher anzukündigen.«
    Pascoe fiel ihm ins Wort. »Nicht so sehr aus Angst, daß man sie finden könnte, sondern aus Angst, daß es das war, was sie eigentlich wollte?«
    »Mehr oder weniger«, sagte Pottle. »Mehrere Wochen gehen ins Land. Und schließlich bringt die Erkenntnis, daß sie sich rapide dem Punkt nähert, wo es kein Zurück gibt, ein so starkes Verlangen, davon abgehalten zu werden, daß sie wieder mit dem Schreiben anfängt. Was für faszinierende Ambiguitäten! Sie behauptet, es bereite ihr Kummer, daß Dalziel den Fall möglicherweise an einen Untergebenen mit mehr Gefühl delegiert habe. Spekuliert sie hier, oder weiß sie es tatsächlich? Unbewußt fühlt sie sich wahrscheinlich nur auf den Schlips getreten, daß der große Kriminalist, wie sie ihn nennt, sie nicht ernst nimmt. Zum Glück tun Sie es.«
    Er betrachtete den Kriminalbeamten freundlich und goß zwei weitere Zentimeter Muscadet in sein Glas, wobei er keinen Hehl aus seiner Mißbilligung machte, als Pascoe das seine wieder mit Soda auffüllte.
    »Ich fahre«, sagte Pascoe. Er mochte die Mischung und war sowieso der Meinung, daß der Muscadet des Personal-Clubs es nicht verdiente, seinetwegen in Andacht zu verfallen.
    »Beim letzten Mal sagten Sie, es sei wahrscheinlich, daß sie nicht nur für Psychiater, sondern auch für Polizisten Hinweise gebe«, fuhr er fort. »Sieht es noch immer so aus?«
    »Ich denke, ja. Aber sie sind vielleicht allzu offensichtlich.«
    »Polizisten dürfen auch das Offensichtliche nicht ignorieren«, sagte Pascoe.

Weitere Kostenlose Bücher