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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Horncastle hatte natürlich recht. Mit einem Telefongespräch würde sie nichts beim Stiftsherrn erreichen. Selbst von Angesicht zu Angesicht hätte sie wohl keine Macht über ihn, jetzt, da er »Weiche!« geschrien hatte. Aber ohne die Saint-Begas-Abtei kam ihr ihre Inszenierung flach und glanzlos vor, so flach und glanzlos wie Charter Park. Sie hätte sich mehr darum kümmern sollen. Sie stand auf und wanderte ruhelos im Raum umher. Die Wände waren mit den Mysterienspielen tapeziert – Storyboards, Scripts, Routen, Kostüme, Entwürfe der Wagen – es war alles vorhanden, in jeder Hinsicht. Die Fülle hatte sie vor allem verlockt. Eine solch umfassende Aussage über das Leben hätte sie sonst nur noch machen können, wenn sie den gesamten Shakespeare aufgeführt hätte, von
Umflor der Himmel sich, Tag werde Nacht!
bis zu
Verzweiflung ist mein Lebensend.
Doch das wäre eine Reise gewesen, die man nicht in eine Ferienwoche hätte quetschen können!
    »Was ist mit dir los, Mädchen? Du siehst aus, als hättest du in einen Apfel gebissen und einen Wurm verschluckt.«
    Es war Dalziel. Manchmal wußte man bereits hinter der Bühne, daß er gekommen war, obwohl er noch im Foyer war; manchmal schlich er sich von hinten an wie ein Indianer auf dem Kriegspfad.
    »Wurm trifft es gar nicht so schlecht«, sagte sie und reichte ihm den Brief.
    Er las ihn und sagte: »Es bedeutet also einen Unterschied, in Charter Park zu spielen?«
    »Als würde man in Barnsley statt in Wembley spielen«, sagte sie.
    »Ich stehe auf Rugby«, sagte er, »und Schlamm ist Schlamm, da ist die Landschaft egal. Und was machst du jetzt?«
    Hoffnungslos zuckte sie mit den Schultern. Dalziel sah sie an und dachte, Eileen Chungs Schulterzucken sollte mit einer Warnung des Gesundheitsministers versehen werden. Das war eher eine mexikanische Welle, die durch ihren langen, schlanken Körper lief.
    Er grinste und sagte: »Okay. Dann sehen wir doch mal.«
    »Was hast du vor?« fragte sie, als er auf ihrem Telefon eine Nummer wählte.
    »Im Tittenschütteln kann ich nicht mithalten, Mädchen«, sagte er. »Aber ich bin nicht ungeschickt, wenn es darum geht, etwas anderes zu schütteln, beispielsweise die Faust. Hallo! Ist der Bischof zu Hause? Er kann nicht beschäftigt sein, heute ist kein Sonntag. Sagen Sie ihm, es sei Andy Dalziel, und es gebe da möglicherweise ein Problemchen mit seiner Eintrittskarte für das Wales-Spiel in der nächsten Saison. Was? Nein, er soll mich nicht zurückrufen, ich will jetzt mit ihm sprechen. Wenn der Affe da ist, kann der Leierkastenmann nicht weit sein.«
    Er bedachte Eileen Chung mit einem liebenswürdigen Lächeln. Sie zischte: »Wen um Himmels willen hast du am Apparat?«
    »Den Kaplan des Bischofs. Netter Junge, aber er spielt Lacrosse. Lacrosse! Kein Wunder, daß niemand mehr Respekt vor der Religion hat. Hallo, Joe. Wurde aber auch Zeit! Nein, das hat der Junge falsch verstanden, natürlich gibt es kein Problem mit deinen Eintrittskarten für die internationale Begegnung. Habe ich dich jemals sitzenlassen? Eher würde ich dir einen Helm verpassen und dich mitspielen lassen, wenn es sein müßte. So bin ich. Verläßlich. Wie du, Joe. Du kannst mir vertrauen, so wie ich dir vertrauen kann. In Ordnung. Ich komme zur Sache, ich weiß, daß du ein vielbeschäftigter Mann bist. Eine Freundin von mir hat ein Problem …«
    Zehn Minuten später legte er den Hörer auf die Gabel und sagte: »Das war’s. Alles in Ordnung.«
    »Ach, du lieber Gott, Andy! Und ich meine das buchstäblich! Aber was ist mit dem Domkapitel? Ich dachte, der Bischof hätte die Hosen voll, wenn er Eustace nur sieht?«
    »Anscheinend stand bei dieser Sitzung St. Bega gar nicht auf der Tagesordnung. Die war nämlich schon vor Ewigkeiten festgelegt worden. Der alte Horncastle hat davon angefangen. Natürlich haben etliche Leute Gift verspritzt, weil er ihnen gewaltig auf den Keks geht, und plötzlich sagt er, okay, ich sehe schon, wie die Versammlung zu dieser Frage steht, und geht ohne Abstimmung zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Was Joes Angst vor Horncastle betrifft« – Dalziel setzte sein Bärenlächeln auf –, »vor wem hättest du mehr Angst, Mädchen? Einem vertrockneten Geistlichen oder mir?«
    »Keine Konkurrenz«, sagte Eileen Chung. »Aber woher kennst du ihn, den Bischof, meine ich …«
    »Hat dir noch niemand erzählt, daß ich beinahe Priester geworden wäre?« sagte Dalziel so ernsthaft, daß sie ihr nicht ganz

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