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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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entschieden hatte, ob seine Befürchtungen groß genug waren, um zu verlangen, daß sie sofort Alarm schlug.
    Doch er konnte nicht noch mehr Zeit mit Spekulationen vergeuden. Er nahm den Brief und ging in sein eigenes Büro zurück, wo er die komplette Akte der dunklen Lady an sich nahm. Als er gerade zur Tür hinaus wollte, kam Wield herein, das Gesicht zu einem Lächeln verzogen.
    »Hast du das hier gesehen?« sagte er und schwenkte die Sondernummer der »Evening Post« vor Pascoes Augen. »Da ist ein Foto des Superintendent drin. Er sieht aus wie Old Mother Riley!«
    Pascoe ging nicht auf die Zeitung ein, sondern zog den Sergeant den Flur entlang, die Treppe hinunter und auf den Parkplatz, der wie ein britischer Schwergewichtsboxer noch immer seine Narben trug. Im Auto las der verblüffte Wield den Brief, während Pascoe ihm erläuterte, wohin sie fuhren. Wield hatte in der Vergangenheit Pascoe den Fall erwähnen hören, aber er sah zum ersten Mal einen der Briefe, und es verblüffte ihn, daß der Chief Inspector so aufgeregt war.
    »Gibt es denn einen Hinweis in den restlichen Briefen, der dich vermuten läßt, daß sie es sein könnte?« fragte er.
    »Ja. Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich kann das Risiko nicht eingehen, verstehst du?«
    »Ich kann verstehen, daß du sie aufhalten willst. Ja, das liegt auf der Hand. Ich meine, es liegt auf der Hand, daß du sie stoppen willst, obwohl es nicht auf der Hand liegt, daß du …«
    Pascoe sah Wield wütend an und sagte: »Komm mir ja nicht mit dem Quatsch von wegen freier Wille! Lies die Briefe! Da kann von freiem Willen keine Rede sein. Die wird getrieben …«
    »Ja, stimmt«, sagte der Sergeant einlenkend. »Ich wollte keine moralische Diskussion vom Zaun brechen. Ich wollte nur sagen, daß ich nicht verstehe, warum du es so persönlich nimmst. Sie hat ja noch nicht einmal an dich geschrieben …«
    »Sie
will
gefunden werden, sie
will
aufgehalten werden, ich weiß, daß sie es will!« fiel Pascoe ihm ins Wort. »Okay, sie hat mit Dalziel den Falschen gewählt, aber sie hatte immer noch eine Chance in mir, und was habe ich unternommen?«
    »Mehr, als die meisten anderen unternommen hätten, so wie es klingt. Du brauchst dir nichts vorzuwerfen.«
    »Nicht? Okay, ich habe so getan, als ob, aber was ist dabei herausgekommen? Nichts. Eine Fassade. Andy war wenigstens ehrlich. ›Weg mit ihr! Sie zählt nicht! Soll sie sich doch an die Wohlfahrt wenden. Wenn sie die Zeit der Polizei beanspruchen will, soll sie eine Straftat begehen!‹ Und macht einen Bogen um sie. Wohingegen ich mitten auf der Straße leisetrete, vielleicht ein wenig näher am Geschehen, aber nicht nahe genug, um das geringste zu bewirken.«
    Sie waren auf dem Krankenhausgelände angekommen. Pascoe ignorierte alle Schilder, die ihn zum Parkplatz wiesen, und fuhr geradewegs zum Anbau, in dem die Schwestern untergebracht waren. Die Wagentür weit offenstehen lassend, eilte er in das Gebäude und stürzte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Obwohl er sich bemühte, mit ihm Schritt zu halten, blieb Wield zurück. Er hatte Pascoe noch nie so aufgewühlt gesehen. Er dachte daran, was ihm vor kurzem zu Dalziel aufgegangen war, daß er ihn noch nie so besessen erlebt hatte wie in diesem Fall. Der eine wollte strafen, der andere beschützen. Die beiden Pole der Polizeiarbeit. Pascoe, Dalziel, so weit voneinander entfernt wie überhaupt möglich, doch eine Welt in prekärem Gleichgewicht zwischen sich … Wieso zum Teufel hatte er den Kopf voll mit philosophischem Geschwafel, wenn er sich darauf konzentrieren sollte, daß sich a) Pascoe nicht lächerlich machte und b) er selbst keinen Herzinfarkt bekam?
    Atemlos erreichte er den zweiten Treppenabsatz. Schon konnte er Pascoe an eine Tür hämmern und rufen hören: »Mrs. Waterson! Pamela! Sind Sie da drin?« Andere Türen hatten sich geöffnet, und Köpfe lugten hervor. Pascoe schien sie nicht wahrzunehmen. Als Wield zu ihm kam, sagte er: »Wir müssen sie aufbrechen. Ich weiß, daß sie da drin ist. Ich weiß es einfach!«
    Und Wield, der über Pascoes Schulter beobachtete, wie sich der Türknauf zu drehen begann, sagte: »Ja, ich glaube, daß du recht hast.«
    Die Tür wurde weit aufgerissen. Pam Waterson stand in der Öffnung, fest in ihren Morgenrock gewickelt. Ihre Augen sprühten vor Zorn.
    »Was zum Teufel ist hier los?«
    Pascoe wandte sich um und sah sie so erstaunt an, daß kein Raum für Erleichterung blieb. Daß sich seine

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