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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Ganoven zu fangen, und nicht, unsere Zeit an Hysterikerinnen zu verschwenden.«
     
    Eine halbe Stunde später erreichte Pascoe Currthwaite, ein Dorf, das Gefahr lief, zum Vorort zu werden, wenngleich zu einem ziemlich betuchten. Auf der Stadtseite war die Invasion fast vollbracht, denn das hügelige Parkland war übersät mit gut gesicherten Vorstandsvillen. Als er in das eigentliche Dorf hineinfuhr, das sich zwischen einer normannischen Kirche aus warmem Naturstein und einer wütendroten Backsteinkapelle im Blockhausstil erstreckte, verrieten auch die Häuser der Hauptstraße – von außen durch Blumenkästen und von innen durch Vorhänge der Firma Sanderson –, daß sie sich ergeben hatten, und wo immer Pascoe hinsah, erblickte er grünbestiefelte Eroberer auf dem Siegeszug, die ihren Labrador spazierenführten.
    Moscow Farm am Dorfausgang war anzusehen, daß es demselben Angriff zum Opfer gefallen war. Weiß gestrichen, mit Blumenkästen, Doppelverglasung, Einbruchsicherung, Sauna, Dusche und Zentralheizung, war es einem bewirtschafteten Bauernhof aus alter Zeit so ähnlich wie Washington Heights Wuthering Heights. Doch ein Blick aus den hinteren Fenstertüren zeigte Pascoe, daß eine Widerstandsbewegung am Werk gewesen war. Man hatte den zu einem Patio hochstilisierten alten Innenhof zum Materiallager degradiert.
    »Ich wette, der Rest des Dorfes ist darüber nicht gerade glücklich«, sagte Seymour. »Nicht bei den Preisen, die hier verlangt werden.«
    »Hast du hier Eigentum?« fragte Pascoe.
    »Hätt ich gern. Ich habe mich verlobt.«
    »Glückwunsch. Mit Bernadette, vermute ich?«
    Bernadette McCrystal war die irische Kellnerin, deren zerstörerischen Einfluß auf Seymours Geisteskräfte Dalziel so bedauerte. Pascoe hatte Bernadette kennengelernt und mochte sie, obwohl er seine Zweifel hatte, daß eine Heirat mit ihr der Anfang einer Schönwetterfront für Seymours Reise durchs Leben war.
    »Natürlich«, sagte Seymour leicht gekränkt.
    »Darauf müssen wir einen trinken. Ich gebe einen aus. Aber nun machen wir erst einmal weiter.«
    Neunzig Minuten später hatten sie zu Seymours unverhohlener Erleichterung nichts gefunden.
    »Ich hätte keine Lust gehabt, mit einer Schubkarre voll Kokain zum Chef zurückzukehren.«
    »Kann immer noch passieren«, bemerkte Pascoe. »Die Schubkarren sind vermutlich da draußen untergebracht. Ich schau mich dort mal um. Ich wollte sowieso mit der Sekretärin reden. Mach hier drinnen noch einmal die Augen auf.«
    Er ging hinaus in den Hof, der von zwei Seiten mit alten landwirtschaftlichen Gebäuden umstanden war. Die ziegelgedeckten und weißgestrichenen Pferdeställe, Scheunen und Kuhställe muteten in der dünnen Februarsonne fast mittelmeerhaft an. Kaum trat er jedoch hinaus in die schneidende Kälte, zerstob die Täuschung.
    Das Büro der Firma war auf einem ehemaligen Heuboden über dem jetzt als Garage dienenden Kuhstall untergebracht. Es war über eine Außentreppe erreichbar, die Pascoe bei Glatteis nicht gern hinaufgestiegen wäre.
    Er klopfte und trat ein. Hinter einem Schreibtisch saß eine junge Frau und las in einem Taschenbuch, dessen Einband den Jack the Ripper der Schnürbrüste versprach, dessen Titel jedoch behauptete, »Jane Eyre« zu sein. Pascoe wußte, daß die junge Frau Swains Sekretärin war. Bei ihrer Ankunft war sie kurz aufgetaucht, doch als sie Seymour entdeckte, den sie von seinem ersten Besuch kannte, hatte sie sich wieder zu Mr. Rochester zurückgezogen.
    »Hallo«, sagte Pascoe. »Störe ich?«
    Sie lehnte das Buch gegen die Maschine auf ihrem Schreibtisch und sagte: »Kann ich Ihnen helfen?«
    Ihr Gesicht war ziemlich eckig, und sie war mollig, hatte glattes braunes, fast schulterlanges Haar, schien kein Make-up zu tragen und sprach den einheimischen Akzent mit einer belegten Altstimme.
    Pascoe nahm das Buch und betrachtete eingehend den Einband, auf dem eine entsetzte junge Frau, deren Mieder unzweifelhaft aufgerissen war, aus einem brennenden Haus flüchtete, auf dessen Schwelle eine Gestalt wie aus den »Munsters« stand.
    »An die Szene kann ich mich gar nicht erinnern«, sagte er.
    »Damit die Leute Lust kriegen, das Buch zu lesen«, erklärte sie. »Das ist mehr, als die blöden Lehrer je geschafft haben.«
    Sie hatte nicht ganz unrecht, vielleicht sogar recht.
    Er legte das Buch auf die Schreibmaschine und sah sich um. Er merkte, daß ihn leicht fröstelte. Das Haus war warm gewesen, und er hatte seinen Mantel abgelegt, aber hier

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