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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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nachdem er soeben von Thackeray kräftig eins auf die Mütze bekommen hatte, überraschte Pascoe zwar nicht, versetzte ihm aber einen Stich.
    »Aber es gibt keinen Grund, dahinter finstere Machenschaften zu vermuten«, fuhr er forsch fort. »Ehrlich gesagt, um geplant zu sein, ist das alles viel zu unsinnig. Könnte es denn nicht sein, daß wir hier schlichtweg das vorliegen haben, als was es sowohl Swain als auch Waterson beschrieben haben – und was mit sehr geringfügigen Abweichungen auch Sie gesehen haben –, nämlich einen Suizid oder schlimmstenfalls einen tragischen Unfall?«
    »Du willst also darauf hinaus, daß ich langsam an einer Obsession leide?«
    »Nein«, log Pascoe. »Ganz im Gegenteil. Wie Mr. Thackeray sagte, Sie hätten doch nicht zugestimmt, mit Swain zusammen aufzutreten, wenn Sie noch immer hinter ihm her wären? Oder doch?«
    »Vielleicht nicht«, sagte Dalziel. »Ich bin mir nicht sicher, Junge, und das ist die lautere Wahrheit. Jeder hier scheint mehr zu wissen und zwei oder drei Schritte weiter zu sein als ich. Fast, als hätten wir einen Maulwurf.«
    O Gott, dachte Pascoe und mußte daran denken, wie er und seine Frau ihn, Dalziel, Eileen Chung zum Fraß vorgeworfen hatten. Doch noch größere Sorge bereitete ihm der Anblick seines in allen Lebenslagen unerschütterlichen Chefs in den Klauen von Zweifel und Verwirrung.
    Als spürte er Pascoes Betroffenheit, versuchte Dalziel ein zuversichtliches Lächeln aufzusetzen und sagte: »Aber lassen wir uns deswegen keine grauen Haare wachsen! Ich werde Gott der Allverdammtmächtige sein, und bei Gott, auf die ein oder andere Art werde ich Swain zur Hölle schicken und Eden, den verstaubten Aktenschwanz, zum Springen bringen!«
    Gut gebrüllt, Löwe, dachte Pascoe, und doch kam es ihm so vor, als hätte Dalziel sich im Text getäuscht.
    Nicht Gott, sondern die gestürzten Engel suchten ihre Zuflucht in trotzigem Gebrüll, was zum echten Allverdammtmächtigen aufsteigen mochte, ihn aber auf seinem Kristallthron mitnichten anfechten dürfte.

Drei
    V ielleicht lag das große Geheimnis von Seymours liebenswerter Art darin, daß er sich nicht darum bemühte. Er war Juan, nicht Giovanni, sein Charme war intuitiv, nicht kalkuliert, und die Belohnungen, die ihm in den Schoß fielen, waren für ihn Überraschungen, keine Siege.
    Seit er sich seiner schönen Bernadette verschrieben hatte, hielt er sich aufrichtig zurück. Nicht, daß er jemals Hintergedanken hatte, doch es war unglaublich, wohin eine mitfühlende Befragung führen konnte. Vor kurzem hatte ein »Freund« von der Polizei Bernadette gegenüber die Andeutung fallenlassen, ihr Verlobter sei der sexuelle Stürmer der Kripo, und das war nicht übermäßig gut angekommen, weshalb Seymour sich bei der Befragung Pamela Watersons so abweisend und förmlich gab, wie er nur konnte.
    Am Anfang hatte sie es ihm mit gleicher Münze heimgezahlt, war sogar fast feindselig gewesen; Seymour hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie so geblieben wäre, aber er konnte nicht anders, als verständnisvoll zu sein, als sie ihm sagte, sie sei zu müde, um viele Fragen über sich ergehen zu lassen, und dann konnte
sie
nicht anders, als auf seine ehrliche Sympathie zu reagieren. Nach fünfzehn Minuten saßen sie auf dem Sofa, tranken Kaffee und überboten einander an Anekdoten über ihre schrecklichen Jobs.
    »Was mir wirklich auf den Wecker geht, ist, daß ich ich bin«, sagte sie schließlich nach einer langen Jeremiade.
    »Wie bitte?«
    »Was ich sagen will, ist, daß ich mir den ganzen Scheiß ja gar nicht gefallen zu lassen bräuchte. Daß man mich ausbeutet, daß es zu wenig Personal gibt, daß ich schlecht bezahlt werde, daß ich einen erbärmlich ausgestatteten Arbeitsplatz habe, daß man mir sagt, ich sei ein selbstloser Engel, wenn ich meine Arbeit erledige, und ein selbstsüchtiges Würstchen, wenn ich darüber stöhne. Ich könnte einfach abhauen. Schon morgen in eine Privatklinik abwandern, alles kriegen, was ich will. Oder ins Ausland gehen und doppelt so viel verdienen, wie ich brauche. Nur weil ich
ich
bin, tu ich es nicht, kann ich es nicht tun. Das ist verrückt, was? Wie wenn man im Gefängnis sitzt und es gibt nur zwei Ausgänge, eine Tür zu einer Freiheit in Bequemlichkeit oder ein Fenster, vor dem eine dreihundert Meter tiefe Felswand lauert, und man weiß, daß man nie die Tür wählen kann.«
    »Sind Sie sich da sicher?« sagte Seymour.
    »Natürlich bin ich mir sicher! Ich habe es doch

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