Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Also - wo stecken die beiden?
Jess blickte sich um. Es war ein trostloser Ort. Alles hatte dringend Reparaturen nötig. Die von Schlaglöchern übersäte Fahrbahnoberfläche, das windschiefe Schild am Anfang der Straße, Balaclava House, das langsam zu einer Ruine verkam, ein Schatten seines einst stolzen Selbst. Jess trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad. Tansy hatte The Old Lodge zuerst verlassen, und Bridget war ihrer Tochter gefolgt. Die Frage lautete daher, wohin war Tansy gefahren? Monty hatte angenommen - und Jess ebenso -, dass Toby's Gutter Lane das Ziel gewesen war. Aber wenn Tansy nicht nach Balaclava House gefahren war, wohin dann?
Die Colleys! Jess schlug triumphierend auf das Lenkrad. Bridget würde nicht von sich aus zu den Colleys fahren, aber Tansy hatte Ian Carter verraten, dass sie und Gary Colley in Kindertagen miteinander befreundet gewesen waren. Tansy war regelmäßig zum Hof der Colleys gegangen und auf Garys Pony geritten.
»Und jetzt ist sie wieder zu den Colleys gefahren!«, sagte Jess laut. »Ich wusste gleich, dass diese Colleys irgendwie in der Sache drinstecken!«
Sie fuhr das kurze Stück bis zur Schweinefarm der Colleys und parkte den Wagen vor dem Gatter. Als sie den Hof betrat, erinnerte sie sich an Mortons Schilderung der bellenden Hunde. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, unangekündigt einfach auf fremden Grund und Boden zu spazieren? Sie kehrte zu ihrem Wagen zurück, stieg ein, fuhr durch das offene Gatter, stieg aus und schloss das Gatter wieder, wie es Morton bei seinem Besuch gemacht hatte. Erst dann setzte sie ihren Weg zu der Ansammlung von Gebäuden fort.
Alles sah genauso aus, wie Phil Morton es beschrieben hatte. Haus, altes Stallgebäude, Schweineställe und Hundezwinger ... und sie war nicht der erste oder auch nur der zweite Besucher des Tages. Zwei Fahrzeuge parkten auf dem schmuddeligen Hof: Bridget Harwells kleiner Zweisitzer und davor der rostige Fiesta von Tansy.
Bingo!, dachte Jess und gestattete sich einen Moment der Zufriedenheit, weil sie ihre Beute endlich gefunden hatte. Dann blickte sie hinüber zum Hundezwinger, um sich zu überzeugen, dass es sicher war auszusteigen.
Der Ansturm von Besuchern schien die Hunde zu überfordern. Wahrscheinlich hatte man ihnen bei den vorherigen Ankömmlingen streng befohlen, nicht zu bellen, und jetzt wussten sie nicht, was sie wegen Jess machen sollten. Sie drängten sich am Zaun ihres Zwingers und starrten sie feindselig an, doch sie bellten nicht - nicht einmal dann, als Jess ausstieg.
Andere hatten ihr Kommen trotzdem gehört. Sowohl Dave als auch Gary Colley kamen aus dem ehemaligen Stallgebäude und beobachteten sie schweigend.
Jess ging auf sie zu, und sie verfolgten ihre Annäherung mit der gleichen Mischung aus Feindseligkeit und Misstrauen wie ihre Hunde. Gary kannte sie bereits, doch es war das erste Mal, dass sie seinem Vater Dave begegnete. Sie zückte ihren Ausweis und hielt ihn hoch, sodass der ältere der Colleys ihn sehen konnte.
»Mein Junge hat mir schon erzählt, wer Sie sind«, sagte Dave Colley.
Jess hatte keine Zeit zu verschwenden. »Wo sind sie?«, fragte sie schroff. »Wo sind Mrs. Harwell und ihre Tochter Tansy?«
»Spazieren. Rüber zum Shooter's Hill«, sagte Dave. »Ist ein schöner Tag heute, nach all dem Regen in letzter Zeit. Sie wollten sich die Beine vertreten.«
»Das denke ich nicht. Verschwenden Sie nicht meine Zeit, Mr. Colley.« Tansy mochte vielleicht aus Spaß an der Bewegung auf den Shooter's Hill klettern, aber ihre Mutter war nicht der Typ von Wanderer. »Das ist Behinderung einer Ermittlung und ein Vergehen. Ich will mit beiden Frauen sprechen. Ich will wissen, wo ich sie finde, und zwar sofort.«
Beide Männer schwiegen feindselig, nervös und misstrauisch. Gefährlich obendrein? Hätte sie lieber auf Phil Morton warten sollen, bevor sie zu den Colleys gefahren war? Die beiden Männer standen Schulter an Schulter im offenen Eingang zum ehemaligen Stall, als wollten sie Jess den Zugang verwehren. Sie blockieren ihn tatsächlich!, dachte sie.
»Mr. Colley, ich habe keinen Durchsuchungsbefehl«, wandte sie sich an den älteren der beiden. »Aber ich kann sehr schnell einen besorgen. Ich muss dazu noch nicht einmal wieder fahren. Ein Anruf, und mein Vorgesetzter ist in einer Stunde mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl hier.«
»Bis dahin können wir verlangen, dass Sie unseren Grund und Boden verlassen«, grollte Colley.
»Sicher - warum tun Sie
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