Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
der Öffentlichkeit gehütet wurde. Die Kinder, Penny und Monty, wussten selbstverständlich auch nichts davon. Niemand hätte einem Kind derartige Dinge erzählt, und kleine Kinder waren damals naiv und unschuldig. Sie hätten sicher nicht bemerkt, was los war. Nach dem, was meine Mutter mir erzählt hat, redete wohl prinzipiell niemand mit Kindern über diese Dinge. Man impfte ihnen ein, dass die Eltern die höchste Autorität waren und niemals infrage gestellt wurden. Unsere Urgroßeltern waren ein ziemlich schäbiger Haufen, wenn Sie mich fragen.«
»Und wo kommt Jay Taylor ins Spiel?«, fragte Jess, indem Sie Tansy wieder zu ihrer Geschichte zurückführte. »Woher wissen Sie so viel darüber und woher wissen Sie, dass es sich alles tatsächlich so zugetragen hat, wenn alle so geheimnistuerisch waren und nie darüber gesprochen haben?«
Tansy warf die Haare zurück. »Das hat alles Jay herausgefunden. Eine Generation war weggestorben. Niemand kannte die Wahrheit. Unsere Vorfahren hatten bekommen, was sie gewollt hatten: ein Ereignis, das aus der Geschichte herausgefallen war, als hätte es nie stattgefunden. Erst als Jay sich mit aller Entschlossenheit daranmachte, den Stammbaum seiner Familie zu erforschen, kam alles ans Licht.«
»Eine beachtliche Leistung von Taylor«, bemerkte Carter.
»Er war sehr gut darin, Nachforschungen über Leute anzustellen«, berichtete Tansy. »Es gehörte mehr oder weniger zu seinem täglichen Brot. Stammbäume von Prominenten nachzusehen und jeden Skandal aufzuspüren, weil Skandale helfen, diese Art von Büchern zu verkaufen. Die Leute, in deren Namen er seine Bücher schrieb, hatten im Allgemeinen keine Einwände. Die Idee ist es, Bücher zu verkaufen, so viele Bücher wie irgend möglich, und wenn eine Verbindung zu einem bekannten Namen offenbar wird, dann umso besser. Diese Leute haben keine Angst vor einer Leiche im Keller, oder so gut wie fast keine. Es muss schon etwas ziemlich Schlimmes passiert sein, damit sie es verbergen wollen. Eine Liebesaffäre - nun ja, so etwas würden sie als traurige Romanze betrachten. Heutzutage bemühen sich die Menschen längst nicht mehr, so etwas zu verschleiern, und das ist auch gut so!«, sagte Tansy entschieden.
»Was ist mit Jay?«, hakte Jess nach.
»Oh, Jay. Er hatte eine ruhige Phase, arbeitsmäßig. Ein Fenster zwischen zwei Jobs. Er hatte ein fertiges Manuskript eingereicht. Zufriedener Prominenter, zufriedener Herausgeber. Ein weiterer Auftrag war erst im Stadium der Besprechung. Also hatte er freie Zeit zur Verfügung. Er beschloss, seine eigene Herkunft zu erforschen. Das hatte er sich schon seit einer Ewigkeit vorgenommen, weil er nur eine einzige lebende Verwandte hatte, von der er wusste. Eine alte Frau, Rentnerin, unverheiratet, die in Bristol lebt.«
»Miss Bryant«, sagte Jess. »Wir haben uns mit ihr unterhalten.«
Tansy sah sie verblüfft an. »Wie um alles in der Welt sind Sie an sie gekommen? Jay hat erzählt, sie wäre eine elende alte Schachtel gewesen, die ihn noch nie hätte leiden können. Trotzdem war sie alles, was Jay hatte oder kannte. Seine Mutter war tot. Er hatte keine Geschwister. Sein Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, als Jay noch ein Baby gewesen war, und seither hatte niemand mehr etwas von ihm gehört. Jay wollte andere Verwandte finden, irgendjemanden - er war sicher, dass es noch weitere Verwandte geben musste. Er begann damit, dass er vor etwa einem Jahr seine Tante in Bristol besuchte und ihr Fragen stellte. Sie ließ eine richtige Bombe hochgehen: Jays Vater, Lionel Taylor, war als Baby adoptiert worden. Taylor war der Name der Leute, die Lionel adoptiert hatten. Jay meinte, als seine Tante ihm das alles erzählt hätte, hätte sie einen richtig gehässigen Ausdruck im Gesicht gehabt. ›Du wolltest es unbedingt wissen, jetzt weißt du es!‹, hätte sie zu ihm gesagt.
Er war trotzdem froh, dass sie es ihm gesagt hatte, weil er ansonsten seine Zeit damit verschwendet hätte, den Familienstammbaum der Taylors zurückzuverfolgen, und sie hatten nichts mit ihm zu tun, jedenfalls waren sie keine Blutsverwandten. Andererseits hatte er nun etwas, womit er anfangen konnte - die Suche nach Lionels richtiger Mutter. Es gelang ihm, eine Kopie der Geburtsurkunde seines Vaters aufzutreiben - der Urkunde, die bei seiner Geburt ausgestellt worden war. Nicht lange danach war er adoptiert worden und hatte eine neue Geburtsurkunde erhalten. Doch auf der ersten Urkunde war der Name der Mutter als
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