Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Hintergrund von Monty Bickerstaffe herausgefunden als Jess - noch dazu in kürzerer Zeit - und ihr soeben die Informationen zukommen lassen, die sein Besuch bei Mrs. Farrell am Abend zuvor ergeben hatte.
Carter hatte natürlich völlig recht mit seiner Warnung, Monty nicht »ins Herz zu schließen«. Sie hatte tatsächlich Beschützerinstinkte für den alten Mann entwickelt, und von da bis zur Besessenheit war es nur ein kleiner Schritt. Es wurmte sie, dass Carter sämtliche Informationen über den Clan der Bickerstaffes zutage gefördert hatte und nicht sie selbst. Soweit sie verstanden hatte, verdankte die Familie ihr einstiges Vermögen einem speziellen Fruchtkuchen. Menschen hatten schon früher mit den ungewöhnlichsten Ideen Reichtum erworben. Jess wünschte, sie hätte das alles selbst herausgefunden und Carter erzählen können. Doch ihr fehlten die Kontakte, um derart tiefschürfende Informationen ans Licht zu holen. Carter kannte rein zufällig eine alte Dame, die seit Menschengedenken in der Gegend wohnte und sich als wahre Fundgrube erwiesen hatte. War das zu glauben? Er war neu in der Gegend, und dann stellte sich heraus, dass er hier Verwandtschaft hatte - oder besser gesagt, seine Exfrau hatte sie. Jess wusste, dass er unverheiratet war, doch sie hatte bereits vermutet, dass er irgendwann einmal eine langjährige Beziehung oder eine Ehe gehabt haben musste. Sie hatte außerdem angenommen, dass es zu einer Trennung oder Scheidung gekommen war. Jetzt hatte sie zwar die Bestätigung, trotzdem wusste sie nicht, wie sie damit umgehen sollte. Wie vorsichtig musste sie sein? War diese Trennung der Grund gewesen, aus dem er hergekommen war? Um alles hinter sich zu lassen und neu anzufangen? War es nicht häufig der Fall, dass Menschen in seiner Situation so reagierten? Vermutlich hatte Carter keine Kinder, doch nicht einmal das vermochte sie mit Bestimmtheit zu sagen.
Sie begegnete seinem unergründlichen Blick aus Augen, die abhängig vom Licht entweder grün oder braun schimmerten. Heute sind sie wieder einmal braun, dachte Jess. In ihr regte sich das unbehagliche Gefühl, dass er ihre Gedanken gelesen hatte. Nein, sagte sie sich entschieden. Das ist nur mein eigenes schlechtes Gewissen. Reiß dich verdammt noch mal zusammen, Jess!
»Sie glauben also, dass ein Dritter eines der Schlafzimmer im oberen Stockwerk benutzt hat«, sagte er so unvermittelt und forsch, als wollte er mit Gewalt einen unerwünschten Gedanken verdrängen. Er runzelte die Stirn und trommelte mit den Fingerspitzen auf der Schreibtischplatte. »Das ist äußerst seltsam. Bickerstaffe hat nichts dergleichen erwähnt, nehme ich an? Und Sie sind sicher, dass er nicht selbst dort oben schläft?«
»Absolut. Das habe ich Ihnen doch schon ...« Hastig verbesserte sie sich. »Ich hatte Ihnen berichtet, dass Bickerstaffe nicht nach oben geht. Ich habe eine Chaiselongue in seinem Wohnzimmer gesehen, die als Bett zurechtgemacht war. Dort scheint er zu schlafen. Aber es war jemand oben in diesem Zimmer und hat sämtliche Oberflächen gesäubert, bevor Morton und ich dort eintrafen. Das Zimmer war definitiv in Benutzung. Man konnte es förmlich riechen, buchstäblich - es war viel weniger stickig als in den anderen Räumen. Es wurde erst vor Kurzem gelüftet. Und es fühlt sich bewohnt an. Die Spurensicherung fand keinerlei brauchbare Fingerabdrücke.«
»So sorgfältig gesäubert, hm?«, murmelte Carter.
»Ja. Auf Hochglanz poliert. Macht einen nachdenklich. Zum einen die Decke auf dem Bett. Wir wissen noch nicht, ob wir DNS darauf finden. Sie sticht aus allem anderen im Haus hervor. Wer auch immer dieses Zimmer benutzt hat, er muss sie mitgebracht haben. Der Gedanke, dass Monty Bickerstaffe etwas Synthetisches kaufen könnte, noch dazu in leuchtendem Rosa, ist geradezu absurd. Außerdem gibt es im ersten Stock einen ganzen Schrank voll mit alter Bettwäsche und Laken. Warum also nicht die nehmen?« Jess beantwortete ihre Frage selbst, bevor Carter es tun konnte. »Weil die Person, die das Zimmer benutzt hat, nichts von dem Vorrat an Leinen wusste. Übrigens habe ich den Inhalt dieses Wäscheschranks kontrolliert. Die Decken sind ausnahmslos aus Wolle, und manche sind mit Etiketten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs versehen.«
»Ich bin überrascht, dass Sie wissen, wie diese Etiketten aussehen«, sagte Carter lächelnd.
Jess wurde ärgerlich. Warum zum Teufel denn nicht? »Ich kenne diese Etiketten«, sagte sie schroff. »Meine Mutter ist
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