Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
waren.
Die kleinste Konstruktion - und ihm am nächsten gelegen - war der Hundezwinger. Ein großer Käfig aus Maschendraht, gehalten von roh behauenen Pfosten. Wahrscheinlich ein ehemaliger Geflügelauslauf. In einer Ecke stand eine baufällige Hütte, die den Hunden als Lager diente. Es waren drei Deutsche Schäferhunde mit einer Spur von irgendetwas anderem im Blut. Große, kraftvolle Kreaturen - Morton bezweifelte, dass der Zaun sie lange aufhalten konnte, sollten sie es wirklich darauf anlegen herauszukommen. Sie standen zusammengedrängt, die Schnauzen an den Zaun gedrückt, und beobachteten ihn mit unfreundlichen Blicken aus gelben Augen. Eine leichte Brise brachte den ranzigen Geruch von draußen gehaltenen Hunden in Mortons Nüstern. Er erinnerte sich, dass das Starren in die Augen eines fremden Hundes von diesem als Herausforderung betrachtet werden konnte, und senkte den Blick.
Mrs. Colley war zu seinem Unbehagen im Haus direkt vor ihm verschwunden, und er war allein auf dem Hof. Es war ursprünglich ein Cottage aus braungelbem Stein gewesen von der Sorte, die typisch war für diese Gegend. Im Verlauf der Jahre jedoch war es immer wieder umgebaut worden, zum Teil mit andersfarbigen Mauersteinen. An der Rückseite stand ein großer Anbau aus Holz.
Zur Linken befanden sich leere Schweineställe. Er fragte sich, wo wohl die Schweine waren. Zur Rechten, hinter dem Hundezwinger, stand ein weiteres Gebäude, das überhaupt nicht zu dem Ensemble passen wollte. Es war größer, höher, breiter, ein Backsteinbau mit einer hübsch verzierten Fassade. Auf einer Seite gab es staubige Fenster und Stalltüren. Die andere, näher gelegene Seite, war fensterlos und besaß ein großes breites Tor, dessen Holzkonstruktion moderner und deutlich schlichter war als der Rest des Gebäudes. Das obere Stockwerk besaß zwei mannshohe Öffnungen mit Kragarmen, an denen ein rostiger Flaschenzug baumelte.
Ein altes Stallgebäude mit Heusilo, dachte Morton, umgenutzt als allgemeiner Schuppen. Ich frage mich, was aus dem ursprünglichen Tor geworden ist. Vermutlich nutzen sie einen Teil als Ferkelstall.
Selbst in seinem heruntergekommenen Zustand war das Gebäude eine Klasse besser als der Rest. Wie ein älterer, gebrechlicher Gentleman inmitten einer Gruppe ungehobelter Landstreicher. Morton fühlte sich unwillkürlich an Monty Bickerstaffe erinnert.
Während er die Umgebung gemustert hatte, hatte Mrs. Colley ihren Clan zusammengetrommelt. Jetzt kamen sie einer nach dem anderen herbei, einige aus dem Haus, andere um die Ecke, Dritte wiederum von irgendwo weiter hinten. Sie bewegten sich in einer schweigenden Masse auf ihn zu und blieben schweigend stehen, während sie darauf warteten, dass er die Unterhaltung eröffnete.
Mrs. Colley senior trug den Eimer nicht mehr bei sich, doch ihre Finger waren immer noch gekrümmt, als ruhte ein Henkel darin. Neben ihr stand eine streitlustig dreinblickende Frau in mittlerem Alter. Ihre Gesichtszüge waren wie ihre Figur pummelig und ihre Haut wettergegerbt und vorzeitig gealtert. Das schlecht gefärbte, strähnige schwarze Haar war zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Sie trug große goldene Ohrringe, doch kein Make-up, und ihre nackten Arme waren mit Tätowierungen verziert. Sie funkelte Morton aus kleinen dunklen Augen an, während sie an einer Zigarette zog. Das musste Maggie sein, die Schwiegertochter von Mrs. Colley senior. Was für eine Vorstellung, jeden Morgen aufzuwachen und so etwas neben sich im Bett vorzufinden!
Der Ehemann, dem diese Ehre zuteil wurde, stand gleich daneben: ein stämmiger, bärtiger Kerl in dreckigen Jeans und einer ärmellosen Steppjacke über einem gemusterten Flanellhemd. Dann kamen die jüngeren Mitglieder der Familie: Gary, mit einem misstrauischen Grinsen im Gesicht, und neben ihm eine übergewichtige Blondine in engen schwarzen Leggings, die nichts dazu beitrugen, ihre plumpen Oberschenkel und ihre dicken Waden zu verbergen. Ein weites Kleid verdeckte die obere Körperhälfte. Zuletzt trat ein kleineres Kind hinter der Blondine hervor und starrte Morton in unverhohlener Neugier an. Es war ein Mädchen, drei oder vier Jahre alt, mit ungekämmten Haaren und gekleidet in eine pinkfarbene Leggings und ein purpurnes Top. In den Händen hielt es ein schmuddeliges Spielzeug, das Morton als Teletubby meinte identifizieren zu können, auch wenn er nicht zu sagen vermochte, welches genau.
»Mr. Colley?«, fragte er den bärtigen Mann forsch.
Der Mann
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