Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
beschäftigt. Ich hatte schon am Schreibtisch gesessen, aber dann musste ich los, um die dämlichen Schweine zu jagen. Heutzutage hat man als Farmer mehr Papierkram zu erledigen als alles andere. Als Gary anrief und die Neuigkeiten verkündete, habe ich kurz mit meiner Frau darüber geredet, aber wir hatten einfach nicht die Zeit, zu Mr. Montys Haus zu laufen. Wir dachten uns, dass wir schon früher oder später erfahren würden, was passiert war.«
»Damit wäre nur noch die Frage zu klären, Mr. Colley, woher Sie von der Leiche wussten«, sagte Morton ausdruckslos. »Gary, Ihr Sohn, hat nämlich nur gesehen, wie Mr. Bickerstaffe in einen Streifenwagen eingestiegen ist.«
Die beiden Colleys wechselten einen nervösen Blick.
»Na ja ...«, begann Dave langsam. »Meine Mutter ist später am Nachmittag zum Haus von Mr. Monty gelaufen, um einen Blick auf die Sache zu werfen. Sie wollte nach dem alten Mann sehen, verstehen Sie, für den Fall, dass er etwas brauchte. Mutter sah das Auto des Bestattungsunternehmers wegfahren. Die Polizei war immer noch da. Also kam Ma zurück und erzählte uns, was sie gesehen hatte. Der Leichenwagen bedeutet ja wohl, dass jemand gestorben sein muss, richtig? Und Mr. Monty konnte es nicht gewesen sein, weil Gary ihn zusammen mit Ihnen und den anderen Polizisten gesehen hat.« Dave war sichtbar zufrieden mit der Logik seiner Erklärung.
Garys Grinsen war breiter und breiter geworden. Was immer Morton fragte, sie hatten eine Antwort.
Morton fixierte Gary mit einem bösen Blick, der ihm verriet, dass sein Grinsen nicht unbemerkt geblieben war. »Ich werde wahrscheinlich noch einmal wiederkommen. Wenn Ihnen in der Zwischenzeit etwas einfällt - irgendetwas -, dann lassen Sie uns das wissen, okay?«
Die Colleys murmelten etwas Unverständliches.
»Ach, übrigens - wessen Pferde sind das eigentlich?«, fragte Morton und deutete auf die Koppel weiter hinten.
»Sie gehören meinem Jungen«, sagte Dave Colley. »Er hatte schon immer ein Pferd oder zwei, seit er laufen kann. Manchmal stellt er sie zum Weiden auf die Koppel dort und manchmal auf die Koppel an der Straße.«
Gary Colley machte auf Morton den Eindruck eines Burschen, der mehr auf Motorräder stand als auf Pferde. Er fragte sich, ob die Colleys möglicherweise Zigeunerblut in den Adern hatten.
Alle drei kehrten zurück auf den großen Hof vor dem Wohnhaus.
»Wann wurde das da gebaut?«, fragte Morton und deutete auf den großen Stall aus Backstein.
»Ach, die alte Scheune«, antwortete Dave wegwerfend. »Die steht schon länger, als irgendeiner von uns sich erinnern kann. Sie wurde gleichzeitig mit Balaclava House gebaut, glaube ich. Sie diente als Kutschenhaus und Stallgebäude. Das hier ...«, er deutete mit seiner großen, schwieligen Hand auf seine Umgebung, »... das hier war ursprünglich der Stallhof. Unser Cottage war früher die Unterkunft des Stallmeisters. Nach dem Ersten Weltkrieg haben die Bickerstaffes die Kutsche und die Pferde abgeschafft und stattdessen ein Automobil gekauft. Sie hatten damals noch viel Geld, die Bickerstaffes. Sie bauten eine neue Garage näher beim Haus und darüber eine Wohnung für den Chauffeur.«
»Mir ist keine Garage mit Chauffeurswohnung aufgefallen«, wandte Morton ein.
»Gibt ja auch keine mehr«, lautete die Antwort. »Sie ist schon vor Jahren eingestürzt. Ich bin hingegangen und hab die Ziegelsteine genommen, um damit unsere Schweineställe zu bauen. Ich habe Mr. Monty einen Gefallen damit getan.«
Du meinst wohl, du hast dir selbst einen Gefallen getan, dachte Morton.
»Nun ...«, setzte Dave an und zeigte Anzeichen von wachsender Ungeduld angesichts der unwillkommenen Unterbrechung. »Mein Urgroßvater war schon vor Königin Victorias Tod Stallmeister und Kutscher der Bickerstaffes, aber dann verlor er seine Arbeit. Die Zeiten hatten sich geändert, und er glaubte, dass er keine Arbeit mehr finden würde. Er war nicht mehr der Jüngste, wissen Sie? Ständig und überall sah man diese neumodischen Automobile herumfahren, doch er schaffte es nicht zu lernen, selbst eins zu fahren. Es heißt, er hätte es versucht, aber er hätte sich nie merken können, dass man nicht den Kopf drehen und mit seinen Passagieren reden darf. Nachdem er eine ganze Ladung Bickerstaffes in den Straßengraben gefahren hatte, teilten sie ihm mit, dass sie sich einen jüngeren Chauffeur suchen würden.
Also ging mein Urgroßvater zum damaligen Mr. Bickerstaffe und fragte ihn, ob er den Stallhof,
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