Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
ließen sie sich erleichtert zu Boden sinken. Das Hemd war dort, wo die Decke gelegen hatte, nass und durchgeschwitzt, und der Wollstoff hatte eine rote gereizte Stelle auf seiner Haut hinterlassen. Er hatte sie nicht mitnehmen wollen, doch Penny hatte darauf bestanden. Sneddons Schafe weideten von Zeit zu Zeit hier oben und hinterließen ihre Visitenkarten im kurzen trockenen Gras. Penny war wie alle Frauen pingelig in diesen Dingen, und das, obwohl sie erst zehn Jahre alt war.
Schweigend machten sie sich daran, ihre Vorräte auf der Decke auszubreiten. Monty tauschte sein hart gekochtes Ei gegen eine ihrer Blätterteigrollen, und sie kamen überein, die Kekse und den Saft zu teilen. Monty hatte eine Flasche Orangensaft aus Sirup von zu Hause mitgenommen, doch er hatte sie auf dem Weg nach oben bereits geleert. Er sehnte sich insgeheim nach einem der dreieckigen Marmeladensandwichs, doch er zögerte, ihr eine seiner Fischpaste-Monstrositäten zum Tausch anzubieten, und letzten Endes traute er sich auch nicht.
Die ganze Gegend hier nannte sich Shooter's Hill. Von hier oben hatte man eine spektakuläre Aussicht, Meilen über Meilen wogender Hügel, Wiesen und Felder, durchzogen von einem mäandernden Fluss und von Straßen und übersät von einzeln stehenden Cottages. Monty konnte praktisch seine gesamte Welt sehen, die wie ein Bildteppich zu seinen Füßen lag. Balaclava House sah aus wie ein Spielzeuggebäude. Ein Stück weiter und noch viel winziger lag der unordentliche Hof der Colleys mit ihrem heruntergekommenen Cottage.
Viel weiter draußen, hinter den Wäldern, lag Sneddon's Farm und das Puppenhaus von Cottage, wo Penny und ihre verwitwete Mutter lebten. Mrs. Henderson brachte sich und ihre Tochter durch, indem sie Kindergeschichten schrieb. Ihr Zuhause war eine ehemalige Farmarbeiterhütte, die nicht länger gebraucht wurde. Mr. Sneddon ließ Penny und ihre Mutter für einen Apfel und ein Ei dort wohnen, weil das Cottage nur eine Außentoilette hatte und auch weil er Mitleid mit der Kriegerwitwe hatte. Von Sneddons Anwesen war nichts zu sehen, dafür waren seine Schafe zahllose kleine weiße Punkte auf einer Weide, zwei Felder entfernt.
Hinter der Farm lag der Steinbruch. Auch ihn konnte man nicht sehen, aber gelegentlich kam ein dumpfes Getöse aus der Richtung.
Unten rechts breitete sich dunkel und geheimnisvoll Shooter's Wood aus. Gelegentlich zerrissen Schüsse von dort die stille Luft - im Allgemeinen Jed Colley, der Tauben jagte. Nicht jedoch heute. Heute lag der Wald still, und das einzige Geräusch war das ferne Zwitschern von Lerchen hoch oben am Himmel. Vor nicht allzu langer Zeit wäre noch das Dröhnen von Flugzeugmotoren zu hören gewesen, doch inzwischen herrschte seit mehr als einem Jahr wieder Frieden. Monty lag flach auf dem Rücken und blinzelte hinauf in den hellen Himmel. Er konnte den dunklen flatternden Fleck gerade so erkennen.
»Wenn du so in die Sonne siehst, wirst du blind«, warnte ihn Penny.
»Ich hab die Augen zu«, konterte Monty und schloss die Augen, um es zu beweisen.
»Du hast sie gerade erst zugemacht! Du hattest sie offen, und du hast eine schreckliche Grimasse geschnitten!« Sie stockte. »Meine Großmutter sagt, wenn die Windrichtung wechselt, während man eine Grimasse schneidet, dann bleibt das Gesicht so.«
»Das ist kindischer Mist«, entgegnete Monty indigniert. »Diese Märchen erzählen sie kleinen Mädchen wie dir ...« (Er war selbst erst zwölf Jahre alt, doch er wusste, dass er sie damit ärgern konnte.) »Du glaubst das doch wohl nicht im Ernst, oder? Bist du verrückt?«
»Selbstverständlich nicht!« Ihr Gesicht lief rot an vor Empörung. Die Farbe stach sich mit ihrem karottenfarbenen Haar. Um ihn wissen zu lassen, wie sehr er sie mit seiner Beleidigung getroffen hatte, sagte sie kein weiteres Wort.
Monty auf der anderen Seite war froh über ihr Schweigen, bedeutete es doch, dass er einfach daliegen konnte und die warme Sonne im Gesicht spüren, das Gras und die Erde riechen, das Summen von Bienen in unmittelbarer Nähe über dem Klee, während er seinen Gedanken freien Lauf ließ. Er ahnte dumpf, dass die Grundlagen für die Beziehung bereits gelegt waren, die er und Penny in einigen Jahren als Erwachsene führen würden. Penny würde ihm immer noch sagen, was er tun und lassen sollte, wenn sie erwachsen waren, und im Allgemeinen würde sie recht haben. Er würde Wege finden, ihren Rat nicht anzunehmen - oder wenigstens so zu tun. Penny würde
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