Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Nachricht von Taylors Tod überbracht, hatte er gesagt, und sie wäre zutiefst schockiert darüber. Er hätte weiterhin erwähnt, dass die Polizei möglicherweise einen Blick in Jays Wohnung werfen wollte, und Terri hätte ihm gesagt, dass Jay die gleiche Reinigungsfirma beschäftigte wie die Hemmings auch. »Nur, dass Jay sie nur einmal im Monat kommen lässt, sagt Terri. Ich habe mir gedacht, wenn Sie seine Schlüssel benötigen - die Firma besitzt Schlüssel zu sämtlichen Wohnungen, in denen sie saubermacht.«
Ein Besuch im Büro der betreffenden Reinigungsfirma hatte denn auch tatsächlich nach einigen Diskussionen dazu geführt, dass sie den Schlüssel zu Jay Taylors Wohnung erhalten hatten.
Es war ziemlich offensichtlich, dass Jay in der Zeit zwischen den monatlichen Besuchen der Reinigungsfirma nicht viel geputzt hatte. Die Wohnung als unaufgeräumt zu bezeichnen war kaum eine adäquate Beschreibung dessen, was Carter und Jess vorfanden. Das winzige Badezimmer war ein Dschungel aus getrockneter Wäsche auf einer von einer Wand zur anderen gespannten Leine. Die Küchennische war übersät mit einem Sammelsurium durcheinandergewürfelter Kaffeebecher, alle benutzt, einige auf dem Trockenbrett, andere in wankenden Türmen auf dem Mikrowellenherd. Überall in der Wohnung standen oder lagen weitere Tassen, Teller, Schüsseln und Süßigkeiten- oder Fast-Food-Verpackungen herum. Wahrscheinlich hatte Jay immer erst etwas unternommen, wenn er überhaupt kein sauberes Geschirr mehr finden konnte, aber nicht vorher.
Zentraler Punkt der Wohnung war der Computer auf einem Schreibtisch und ringsherum Hinweise auf seine Arbeit. Sie fanden bestimmt zwanzig Notizbücher, alle vollgekritzelt mit Taylors nahezu unentzifferbarer Handschrift, durchsetzt von seitenweise Steno. Kisten voller Bandaufzeichnungen von Unterhaltungen mit seinen Autoren. Sammelalben voller Zeitschriftenartikel hauptsächlich über sattsam bekannte Namen aus der Welt des Sports oder der Unterhaltung.
Jess fand es ein wenig traurig, dass sich nahezu alles, was sie fanden, um andere Personen drehte. Berufliche Kontakte aus der Vergangenheit oder Zukunft. Der Rest war eigenartig steril und unpersönlich mit einer einzigen Ausnahme - ein kleines schwarzes, abgewetztes Album voller Familienphotos, die hauptsächlich eine nie lächelnde, nichtssagende Frau und einen kleinen, ebenfalls nicht lächelnden Jungen zeigten. Jay und seine Mutter? Es war die übliche Mischung aus Urlaubsbildern am Meer, Schulsportfesten und Bildern von Pfadfindertreffen. Jay - falls es Jay war - hatte es bis zum Wölfling gebracht, jedoch nicht bis zum Späher. Zu schade, dachte Jess. Vielleicht hätte es ihn aufgemuntert.
»Mit mehr Zeit und einer größeren Wohnung hätte er wahrscheinlich geendet wie Monty Bickerstaffe!«, stellte Carter fest.
Jess hatte auf dem durchgesessenen Sofa Platz genommen und blätterte die Notizbücher durch. Gelegentlich hielt sie inne und schrieb eine Anmerkung in ihr eigenes Notizbuch. »Das hier ist quasi seine Handbibliothek!«, verkündete sie plötzlich. »Es ist nicht so chaotisch, wie es im ersten Moment aussieht. Jedes Notizbuch bezieht sich ausschließlich auf eine Person. Ein Buch, eine Biographie. Die Alben sind eine andere Geschichte. Jay wusste nie, wann er einen Anruf bekam von jemandem, der einen Ghostwriter benötigte, sei es eine Berühmtheit aus dem Showgeschäft, ein Filmstar oder ein Sportler. Also sammelte er alles, was er an Artikeln über das Leben oder die Interessen berühmter Leute finden konnte. Es war sein Hintergrundmaterial. Er war besessen vom Leben anderer Leute - erfolgreicher Leute, heißt das, die im Licht der Öffentlichkeit standen. Die Ausschnitte in den Alben waren sein Rohmaterial. Selbst seine Besuche auf der Rennstrecke sind unter diesem neuen Aspekt zu betrachten. Er war nicht nur dort, um die Pferde zu beobachten und zu wetten. Er beobachtete die Besucher. Prominente.«
Carter blickte sich um. »Und wer hat ihn umgebracht? Einer seiner ›Kunden‹, falls das der richtige Ausdruck ist? Hat irgendjemandem die Version vielleicht nicht gefallen, die Taylor von seinem oder ihrem Leben aufgeschrieben hatte? Hat sich ein Buch nicht in der erwarteten Auflage verkauft? Hatte er mit irgendjemandem Streit? Hat er bei seinen Recherchen vielleicht etwas Peinliches über jemanden herausgefunden?« Er zögerte. »Sollten wir vielleicht nach Hinweisen suchen, dass er ein Erpresser war? Wir brauchen eine Genehmigung,
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