Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Minuten vorher angerufen hatte, als ich in den Büschen versteckt die Polizisten belauscht hatte. Sie hätten das Telefon gehört und mich gefunden.
Eine ganze Weile später ist Großmutter die Straße raufgelaufen, genau wie sie es gesagt hat. Sie hat gesehen, wie der Leichenwagen weggefahren ist. Das ist die Wahrheit. Aber das konnte ich Ihnen doch nicht sagen, oder? Ich konnte Ihnen doch nicht verraten, dass ich die Polizisten belauscht hatte?«, beendete Gary sein Geständnis in einem beinahe flehenden Ton.
Jess Campbell wird sich freuen zu hören, dass sie recht hatte und Gary tatsächlich zurück nach Hause gelaufen ist, dachte Morton. Die Frage ist - erzählt der Mistkerl diesmal die Wahrheit, oder lügt er uns wieder an?
»Und das ist jetzt die endgültige Version?«, fragte er Gary. »Oder widerrufen Sie diese Geschichte bei nächster Gelegenheit erneut?«
»Nein, nein, so war es! Ich schwöre es!«
»Sind Sie bereit, Ihre Aussage zu unterschreiben?«
»Ja. Sicher, wenn Sie wollen.« Gary starrte Mortons Notizbuch an, als könnte es unversehens explodieren.
»Ihnen ist klar, dass Sie durch Ihre Handlungsweise möglicherweise den Schauplatz eines ungeklärten Todes kontaminiert haben?«
»Ich wusste nichts von einem Toten! Wie konnte ich davon wissen, wo Sie mir doch nichts sagen wollten?«, konterte Gary.
Womit er nicht ganz unrecht hatte, doch Morton ignorierte seinen Einwand.
»Außerdem haben Sie nicht gleich beim ersten Mal die Wahrheit gesagt und mich damit zu einem zweiten Besuch auf Ihrem Hof gezwungen. Glauben Sie etwa, ich hätte nichts Besseres zu tun? Sie haben unsere Zeit verschwendet, Mr. Colley. Sie haben die Polizei zum Narren gehalten, und das ist ein Vergehen.«
»Was?«, rief Gary erschrocken. Beide Pferde stiegen hoch und galoppierten zum anderen Ende ihrer Koppel. »Sie wollen mich deswegen belangen?«
»Ich werde alles Inspector Campbell berichten, und sie entscheidet dann.«
Morton ließ einen sehr unglücklichen Gary Colley zurück. Einige Minuten später stand er am Ende der Zufahrt zum Haus der Colleys und musste einem Fahrzeug Vorfahrt gewähren, das von Sneddon's Farm die Toby's Gutter Lane heraufkam. Er erkannte die Fahrerin als Rosie Sneddon. Morton folgte ihr bis zur Hauptstraße und in diskretem Abstand zur Tankstelle von Sebastian Pascal, wo sie abbog.
Morton fuhr stirnrunzelnd weiter. Nun denn, Rosie Sneddon, dachte er. Du hast mir erzählt, du hättest an dem Tag getankt, als Monty Bickerstaffe die Leiche in seinem Haus gefunden hat, und dass Sebastian Pascal dir die Neuigkeiten erzählt hätte. Warum fährst du heute schon wieder zur Tankstelle? Dein Tank müsste doch noch voll sein, es sei denn, du bist in den letzten beiden Tagen ständig unterwegs gewesen.
Sicherlich gab es eine ebenso plausible wie unschuldige Erklärung für Rosie Sneddons Verhalten. Vielleicht wollte sie in den Minimarkt. Die Tankstelle war das am nächsten gelegene Geschäft. Vielleicht wollte sie nur eine Packung Kekse oder eine Zeitung kaufen. Wie dem auch sei, Phil Morton hatte andere Dinge im Kopf als Rosie Sneddons Einkaufsgewohnheiten und fuhr weiter.
Rosie hatte gemerkt, dass ihr ein Wagen gefolgt war, doch auch sie hatte andere Dinge im Kopf. Sie fuhr auf das Gelände von Pascals Tankstelle und schaltete den Motor ab. Als sie ausstieg, blickte der kahlköpfige junge Kerl auf, der für Sebastian arbeitete. Er wischte sich die Hände an einem ölverschmierten Lappen sauber und kam herbei. Er grinste auf eine Weise, die ihr überhaupt nicht gefiel.
»Brauchen Sie Hilfe?«, fragte er. Seine Schneidezähne waren abgebrochen. Es war ihr vorher noch nie aufgefallen. Doch sie hatte ihm vorher noch nie wirklich Aufmerksamkeit geschenkt. Sie fragte sich flüchtig, ob es die Folge eines Unfalls in jüngeren Jahren war oder einer Schlägerei.
»Ich komme zurecht, danke sehr.« Sie klappte den Tankdeckel hoch und hakte die Zapfpistole aus. Der Kerl stand immer noch da und grinste irritierend.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte sie in scharfem Ton.
»Die Polizei war hier«, sagte er. »Wegen dieser Sache in Balaclava House. Wissen Sie?«, fragte er.
»Natürlich weiß ich davon. Die Polizei war auch auf der Farm und hat mit meinem Mann geredet.« Rosie versuchte sich auf die Anzeigen der Zapfsäule zu konzentrieren. Sie musste überhaupt nicht tanken. Sie hätte direkt in den Minimarkt gehen und das ein oder andere Lebensmittel kaufen sollen, dann hätte sie diese unangenehme Begegnung
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