Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Fenster und spähte ganz vorsichtig hinter dem Vorhang nach draußen. Er sagte, es wäre ein Fremder draußen, und er würde sich sehr eigenartig verhalten. Er würde durch das Küchenfenster ins Haus starren, mit dem Gesicht an der Scheibe, wie man das halt so macht, wenn man von draußen in ein Zimmer sehen möchte.«
Jess und Bennison nickten.
»Dann ging der Mann vom Fenster weg und erkundete das Grundstück, jedenfalls sah es danach aus, sagte Seb. Ich nahm meinen Mut zusammen und ging ebenfalls zum Fenster, um nach draußen zu spähen. Und was soll ich sagen? Ich hatte den Kerl noch nie zuvor gesehen, genauso wenig wie Seb. Er war ein großer Brocken, in den Vierzigern, schätze ich, oder vielleicht auch etwas jünger, vornehm gekleidet und elegant. Niemand, der gekommen war, um sich die Hände schmutzig zu machen, definitiv nicht. Ich fragte mich, ob er vielleicht ein Immobilienmakler war. Vielleicht trug sich Mr. Monty mit dem Gedanken, Balaclava House zu verkaufen?«
»Erinnern Sie sich noch, wie er angezogen war?«, fragte Jess.
Rosie Sneddon nickte. »Oh ja. Er war gekleidet wie ein richtiger Gentleman. Er trug ein braunes Jackett und eine helle Hose dazu. Das Jackett sah aus, als wäre es aus Leder, Wildleder. Er sah sich lange und gründlich um. Der Garten ist völlig verwildert, ganz schlimm, wie ein Dschungel. Sie haben ihn ja selbst gesehen. Wir verloren ihn jedenfalls immer wieder aus der Sicht unter den Bäumen und zwischen dem ganzen Gestrüpp. Dann tauchte er wieder auf. Er lief gut fünfzehn Minuten kreuz und quer durch den Garten. Gott weiß, wonach er gesucht hat.
Ich sah Seb an und flüsterte zu ihm. Rosie lächelte verlegen. »Ich weiß nicht, warum ich flüsterte, aber ich erinnere mich, geflüstert zu haben. Vielleicht, weil ich wusste, dass wir nicht da sein sollten, schätze ich. Jedenfalls, ich flüsterte zu Seb: ›Was machen wir, wenn er ins Haus kommt?‹, und Seb meinte, ›Wir fragen ihn, was zum Teufel er glaubt, was er hier tut?‹
Die gleiche Frage könnte er uns stellen, sagte ich. Aber Seb meinte nur, das würde er bestimmt nicht. Seb war nämlich überzeugt, dass der Kerl nichts Gutes im Schilde führte. Er glaubte offenbar, dass das Haus leer und er unbeobachtet war. ›Wenn er uns findet‹, meinte Seb, ›dann ist es für ihn sicher ein größerer Schreck als für dich oder mich, Rosie. Jede Wette.‹
Ich war nicht überzeugt, und ich fürchtete immer noch, der Fremde könnte versuchen, ins Haus einzudringen. Meine alte Angst vor Einbrechern fiel mir ein. Ich dachte, vielleicht ist das einer, auch wenn er nicht so aussah. Es war etwas entschieden Verstohlenes an der Art und Weise, wie er da draußen herumschnüffelte. Oder vielleicht war er einer von diesen verschlagenen Händlern? Es gibt Leute, die gehen überall herum und starren in die Fenster von leeren Häusern und suchen nach Antiquitäten, wissen Sie? Dann tauchen sie an der Haustür auf und belästigen die alten Leute und reden so lange auf sie ein, bis sie die Sachen billig kaufen können. Das ist Petes Tante so ergangen. Der Kerl sah aus, als wäre er einer von denen.
Wie dem auch sei, irgendwann war er fertig und ging wieder nach vorne. Wir hörten, wie er in den Wagen einstieg und die Tür zuschlug, und dann startete der Motor, und er fuhr davon. Ich war so erleichtert, dass meine Beine anfingen zu zittern. Ich konnte nicht mehr aufstehen. Ich saß eine ganze Weile einfach nur auf dem Bett und zitterte wie Espenlaub.«
»Haben Sie diesen Mann noch einmal in der Nähe von Balaclava House gesehen?«, fragte Jess. »Oder sonst irgendwo in der Umgebung? Hat Mr. Pascal ihn irgendwo gesehen? War er vielleicht bei Mr. Pascal tanken?«
Rosie schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Nein, ich habe ihn nie wieder gesehen. Seb auch nicht. Ich habe ihn gefragt. Seb war sicher, dass der Fremde nicht bei ihm tanken war, er hat nämlich nach ihm Ausschau gehalten. Es dauerte zwei Wochen, bis wir uns wieder im Haus von Mr. Monty trafen. Die Geschichte hatte mir einen solchen Schrecken eingejagt, dass ich nicht gleich wieder dorthin wollte. Ich glaube, Seb war auch erschrocken. Er versuchte zwar, so zu tun, als wäre alles in Ordnung, aber er war nervös und starrte ständig aus dem Fenster. Wir hätten es damals dabei lassen und uns nicht mehr heimlich treffen sollen. Es war eine Warnung. Ein Wink des Schicksals. Wir hätten darauf hören sollen.«
Rosie war zunehmend verzweifelt und wieder den Tränen
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