Mord im Atrium
wurde hingehalten, versuchte verzweifelt, die unerwünschte Aufmerksamkeit abzuschütteln, ohne sie noch mehr auf sich selbst zu lenken. Der Mann war total inkompetent. Er würde von Glück sagen können, wenn er nach diesem unzeitigen Ausrutschen auf dem übergeschwappten Öl ohne die Anschuldigung davonkam, den Gott beleidigt zu haben. Ich blieb nicht da, um es mir anzuschauen.
Wir waren zu Fuß. In leichten ledernen Ausgehschuhen mit losen Riemchen und dünnen Sohlen, ließ jeder unebene Pflasterstein die Füße schmerzen. Trotzdem mussten wir nicht herumlaufen, um Entscheidungen zu treffen. Unser einziges Problem bestand darin, uns durch die Menge zu drängeln. Als Erstes durch die Bankettgäste, die fröhlicher waren, als sie hätten sein sollen angesichts dessen, wie schwer es war, an den kostenlosen Wein zu kommen. Dann durch die hungrigen Zuschauer, die keinen Grund sahen, Leute mit Einladungen vorbeizulassen, die sich ihrer Pflicht entzogen. »Io Saturnalia!« Und Io für dich, du glotzende Landplage … Wir wurden angestoßen und geschubst – alles natürlich in fröhlichem Sinne – und kamen erst davon, nachdem wir fluchend voller blauer Flecken waren.
Ich vermutete, dass Anacrites den Clivus Capitolinus nehmen würde, und daher entschieden wir uns für den anderen Weg. Ich führte uns durch den Bogen des Tiberius und den Bogen des Janus zur Rückseite des Tempels und bog dann auf den dunklen hinteren Portikus der Basilica ab. Auf der Seite des Palatins lag er verlassen da, bis auf ein paar stets hoffnungsvolle Bordsteinschwalben, doch keine quatschte uns an. Am hinteren Ende ging es nach rechts den Vicus Tuscus hinauf, dann ein Schlenker zum Circus Maximus und rasch über die Straße zu den Zwölf Toren. Um auf den Aventin zu kommen, nahm ich die erste steile Straße. Der Tempel der Flora, dann der Tempel des Mondes. Ein Ausscheren nach links, eine Biegung nach rechts, und wir kamen beim Tempel der Minerva heraus, wo ich Clemens angewiesen hatte, seinen Wachposten einzunehmen. Flankiert von enormen Doppelportiken, lag im Winkel dazu der weitläufige Tempel der Diana direkt daneben, etwas unterhalb unserer Ankunftsstelle.
Alles hätte still und in Dunkelheit liegen sollen, doch der Platz vor den Tempeln war hell erleuchtet, voller Musik und aufgeregter Stimmen.
Wir hatten eine ungünstige Nacht erwischt. Die Nachbarschaft quoll über von freigelassenen Sklaven, die die Göttin Diana für sich als Patronin in Anspruch nahmen. Ihre Hauptfeier fand eigentlich am Sklavenfeiertag an den Iden des August statt, dem Tag, an dem der Tempel vor Jahrhunderten geweiht worden war. Während der Saturnalien setzen Freigelassene ihre Kappe der Freiheit wieder auf, wenn sie genug davon haben, nüchterne Bürger zu sein, und erneut die Gelegenheit suchten, ordentlich Rabatz zu machen. Unter die singende, tanzende Menge hatten sich andere gemischt, deren Zurückhaltung darauf hindeutete, dass sie Entflohene waren. Falls diese verstohlenen Gestalten im Tempel untergeschlüpft waren, hatten sie sich jetzt zum Feiern auf die Straße hinausgetraut, weil sie glaubten, die Festtage würden ihnen Sicherheit bieten. Doch ich meinte einige von meinem düsteren Abenteuer auf der Via Appia wiederzuerkennen. Jedenfalls kannte ich ihr alarmierendes Verhalten. Eine ganze Schar führte sich auf wie ungeladene Gäste, offensichtlich erpicht darauf, anderen auf die Nerven zu gehen.
»Hallo, hübscher Junge!«, begrüßte mich Clemens mit einem frotzelnden Blick auf meine blaue Tunika und die dünnen Schuhe. Dann ließ er die Witzeleien sein und half mir, einen Schwertgürtel über meinen Kopf zu ziehen. Verborgen unter meinem Mantel, schmiegte sich das vertraute Gewicht der Waffe unter meinen rechten Arm. Die anderen waren ebenfalls bewaffnet. Das war zwar illegal, aber die Gesetze für Privatbürger in Rom waren nicht erlassen worden, um Anlässe abzudecken, bei denen man den ältesten von den Pontifizes verzeichneten Tempel filzen musste, auf der Suche nach einem Staatsfeind.
»Hier ist ein bisschen viel los, Falco!«
»Wir werden noch Spaß bekommen. Ich warne euch, wir werden uns mit den Prätorianern herumschlagen müssen.«
»Marcus weiß, wie man eine gute Sause organisiert«, teilte Helena Clemens mit, vielleicht mit Stolz auf mich.
»I-o!«
Es war gar nicht leicht, sich durch die verrückten Nachtschwärmer zu drängen. Als wir endlich den Altarhof unterhalb der steilen Stufen zum Tempel der Diana erreichten, lief
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