Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
von Förmlichkeit überlegen, bei der wir uns herausputzten, während wir vorgaben, uns leger zu kleiden. Die meisten Frauen hatten sich einfach etwas von ihren Sklavinnen geborgt und sich dann mit so viel Schmuck behängt, wie sie nur konnten. Die Männer schauten missmutig, weil ihre Frauen ihnen die Festmahlskleidung ausgesucht hatten und, laut den anerkannten häuslichen Regeln, genau die ausgewählt hatten, die ihre Männer verabscheuten. Ich war in etwas Blaues gesteckt worden. An Männern ist Blau für Fußbodengestalter und zweitklassige Fischhändler gedacht. Helena, die oft Blau trug und hinreißend darin aussah, war heute Abend in ungewohntes Braun gehüllt, den Kopf voller Kringellocken, wofür sie den ganzen Nachmittag gebraucht haben musste. Falls es keine Perücke war. Das fragte ich mich ernsthaft. Sie sah wie eine Fremde aus. Dieser Haarwust machte sie fünf Jahre älter und schien der pergamenthäutigen jüngferlichen Schwester eines verarmten Orators zu gehören.
    »Das ist ja eine heftige Verkleidung.«
    »Gefällt es dir nicht?«
    »Mir würde es gefallen, wenn du es ausziehst«, meinte ich anzüglich. Wenn man schon einen Abend lang von der Erfüllung seines Auftrags abgehalten wird, kann man sich genauso gut in Festlaune versetzen und versuchen, ein Mädchen zu verführen. Helena wurde rot, woraus ich schloss, dass ich es richtig machte.
    Camillus Verus trug sein normales Weiß, einschließlich der senatorischen Purpurstreifen. »Olympus, ich bin viel zu aufgetakelt für dieses Fiasko, Falco!« Niemand hatte ihn daran erinnert, dass er heute Abend die Rolle eines Sklaven zu spielen hatte, und irgendwie hatte er verabsäumt, seine Kleidung mit seiner Gattin abzusprechen. Julia Justa musste abgelenkt gewesen sein; sie hatte Probleme damit, schicklich zu bleiben. Offenbar war sie davon ausgegangen, dass sie, wenn sie jemanden spielen sollte, der auf einer tieferen Rangstufe stand, auch einen tieferen Ausschnitt haben musste. Unerfahren darin, sich zur Schau zu stellen, fummelte sie ständig mit dem dürftigen Tüchlein über ihrem Busen herum. Ihr Mann bemühte sich, in die andere Richtung zu schauen und so zu tun, als würde er ihre Schwierigkeiten nicht bemerken. Er hatte Schiss davor, dass sie ihn bitten könnte, ihr beim Feststecken zu helfen.
    »Und als was bist du gekommen, lieber Marcus?«, zirpte Julia knallrot vor Verlegenheit. Ihr Unbehagen lenkte automatisch die Blicke direkt auf dessen Ursprung.
    Ich muss das entsetzte eingefrorene Grinsen jedes Mannes gezeigt haben, der Gefahr läuft, der Nippel seiner Schwiegermutter ansichtig zu werden. »Ich glaube, als zwielichtiger Schuldeneintreiber.«
    »Ist das nicht so ähnlich wie das, was du normalerweise machst?«
    »Ich arbeite nicht in einer dämlichen himmelblauen Tunika!«
    »Indigo«, murmelte Helena.
    »Ich komme mir vor wie ein Veilchen.«
    »Sei brav. Bald ist alles vorbei.« Helena täuschte sich. Wir benötigten fast eine Stunde, um überhaupt Sitzplätze zu finden. Man brauchte Durchhaltevermögen. Sollte es jemals einen Tischplan gegeben haben, konnte niemand ihn finden. Wir quetschten uns nur durch, weil wir stärker schubsten als die Leute, die vor uns auf die Bänke klettern wollten. »Sobald der erste Gang beendet ist, können alle ihre Mäntel ablegen. Dann ist es egal, wie du aussiehst.« Wir trugen alle Mäntel. Die brauchte man, wenn man in einer windigen Nacht Mitte Dezember unter den Sternen speisen wollte. Um die Saturnalien richtig zu begehen, muss man die neue Ernte im Freien feiern. Helena und ich sehnten uns beide nach einem warmen Kohlebecken in einem Zimmer und zwei bequemen Lehnstühlen, dazu für jeden von uns eine interessante Schriftrolle zum Lesen.
    Nahe der Tempelstufen, angrenzend an Saturns üppig bestückte Tafel, befand sich ein Tisch für die kaiserliche Familie und ihre Höflinge. Der König für einen Tag war ein Staatssklave, aber er war sorgfältig ausgewählt worden – ein ältlicher Palastschreiber, bei dem man sich darauf verlassen konnte, dass er sich gesetzt benahm. Sein Schabernack wirkte gezwungen. Immer wieder schaute er zu den Kämmerern, um sich zu vergewissern, dass er nicht zu weit gegangen war.
    »Der Kerl ist ein Flop. Ich glaube, ich sollte ihm mal aushelfen.« Das kam nicht von mir, sondern von dem Senator.
    »Du bleibst, wo du bist!«, befahl seine Frau.
    Einst hatte ich dieses Paar für bieder gehalten, aber je besser ich die beiden kennenlernte, desto mehr erkannte ich, woher

Weitere Kostenlose Bücher